Regen in Schottland..

…ist in der Regel keine Auffälligkeit, der man besondere Beachtung schenken sollte.

Aber wer nahezu 4 Wochen in einem der schönsten Landschaften des nördlichen Europa tätig sein darf, der hofft natürlich, dass er hin und wieder eine lachende Sonne zu sehen bekommt. Doch zunächst kommt es ganz, ganz dunkel:

Denn zunächst steigen zwei Deutsche in den Kellerbereich der Kirche, in dem ein Dreifaltenbalg zu Tode kam, weil (wahrscheinlich) das Grundwasser von der Mainstreet Motherwells, geradezu vom Wasser verwöhnt, sich in diesen dunklen Bereich der Kirche eines Tages in regenreicher Zeit verirrte.

Wir haben fast zwei Wochen in diesem unwirtlichen Bereich arbeiten müssen, um allen Schaden beseitigen zu können. Ein weiterer Grund war, dass der ganze Bereich verschimmelt war, und, dass wir den neuen Balg auseinandergebaut runter bringen mussten, um ihn dann in Kohlenbergbaumanier auf Knien hin-und herrutschend im nur 1,30 m hohen Kellerbereich wieder zusammenbauen mussten.

Nach Einbau dieses neuen Schwimmerbalgs  war es uns dann gelungen wieder einen stabilen Winddruck in der Orgel sicherzustellen.

Dann gings erstmal zu Freunden auf die Highlands nach Kingussie und weiter nach Tomintoul.

Highlandgames in Tomintoul

Hier bei den Highland-Games in Tomintoul war gerade mal die erste halbe Stunde gesegnet mit regenfreier Vorfreude auf das Spektakel. Dann beim ersten Lauf der Knaben unter 17 Jahren legte St. Petrus mit dauerströmendem Bewässern los. (Leider hatte ich den Sprecher falsch verstanden, als die Durchsage kam, man suche noch Läufer „under seventeen“, verstand ich „under seventy“ – und hab mich natürlich gemeldet, eben erfolglos. Weil, wie der Sprecher meinte, solche „lame ducks“ wie ich, auch nur den Hauch einer Chance bei den „Games“ hier haben.)

Unbeirrt bläst ein Dudelsackbläser dem Regen entgegen. Sogar das Objektiv meiner Kamera fing die Regentropfen auf, die Kamera war nach diesem Besuch patschnass.

Highlandgames in Tomintoul

Am nächsten Wochenende konnten wir in Glasgow das erste, brave Steak essen und den freien Eintritt in die Museen genießen. Hier Alexander am originalen Andy Warhol im Modern Museum.

Auch auf der Isle of Arran (nahe Glasgow) konnte man sich an einem herrlich blauen Himmel und einem schönen, breiten Meer erfrischen. Wahrlich eine satte Ruhe, welche die Landschaft ausstrahlt und den total überarbeiteten Orgelbauern etwas Aufbauendes zurück gab.

Blackwaterfoot auf der Isle of Arran

Cairngorms bei Aviemore

So hat Regen in Schottland immer auch eine aufbauende Note ohne die man sich dieses Land überhaupt nicht vorstellen kann.

Glasgow, am Ende dieser Straße in der Kirche rechts steht auch eine Walcker-Orgel,leider nahezu unspielbar.

gwm

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über Bälge…

Nachdem in Motherwell der Motorbalg durch einen Wasserschaden zerstört wurde, habe ich mich über die Feiertage etwas intensiver mit allen möglichen Balg-Konstruktionen beschäftigt. Das war übrigens schon lange geplant, deswegen kommt der Aufputz in ungewöhnlich detaillierter Form daher.

Auf dem Internet gibt es zu Balg und seinen Konstruktionen und daraus folgenden Windanlagen nicht viel zu finden, weil die meisten Orgelbauer sowieso der Meinung sind, ihre Bünde seien esoterischer Natur ähnlich der Illuminaten, da sei jeder noch so banale Handwerksgriff  unter dem Siegel der totalen Verschwiegenheit  am sichersten aufgehoben.

Dass aber der scheinbar wissenschaftliche Klärungsprozess von außen nun in den Orgelbau hinein getragen, mehr Übel als apollinische Klarsicht verursacht hatte, zeigt vor allem ein Umstand, der von keiner Seite mehr bestritten werden kann: nämlich, dass die Orgel nie sowenig Akzeptanz in der Öffentlichkeit vorweisen kann wie heute.

Zunächst ein paar Worte und Bilder über die historische Entwicklung der Orgelbälge.

Die erste mit einer Orgel beschriebene und später auf Bild gebrachte Anlage war die „Wasserorgel des Vitruv (ca.70-80 v.Chr.)“. Der Begriff „Balg“ (abgezogene Tierhaut) sollte aber erst bei den von den Schmieden abgekupferten Bälgen des frühen Mittelalters verwendet werden (vermutlich sind diese Konstruktionen (sog. Sackbälge) bereits bei den ersten nachbyzantinischen Instrumenten um 800 n.Chr. angewandt worden).

Interessant wird die Entwicklung mit den Spanbälgen (Span=Holzbrett). Laut Emile Rupp erfand Hans Lobsinger um 1550 diese Form. Ober-und Unterplatten waren aus 3 Finger dicken Kieferplatten gefertigt. Mit dieser Konstruktion der Spanbälge beginnt  die Geschichte der „beruhigten Windversorgung“.

Werkmeister und Dom Bedos plädieren für einen einzigen, richtig bemessenen Balg für die ganze Orgel, während später in der Orgelromantik der differenzierte Winddruck, das heißt jedes Manual hat seinen eigenen Balg, eingeführt wurde.

Bei Gottfried Silbermann dienten einfaltige Spanbälge mit einer Größe von 3000 x 1500 mm für die Windversorgung. Je nach  Größe der Orgel verwendete Silbermann 2,4 oder gar 6 dieser Spanbälge. Sehr schön zu sehen sind Spanbälge auf der Homepage von Jehmlich, der dort einen 3fachen Spanbalg von G. Silbermann zeigt. Es herrschte unterschiedliche Auffassung darüber, ob ein oder zweifältige Spanbälge die bessere Wahl sind.

Diese Spanbälge werden zeitweise auch Keilbälge genannt, wir haben hier eine zweibälgige Anlage:

Was den Winddruck Silbermanns angeht, liegt mir ein interessantes Schreiben von Horst Jehmlich an Prof. Dr. Kuhn vor. So bezeugt Jehmlich, dass von den rund dreißig Orgeln Silbermann’s nur bei 3 Instrumenten archivarisch der Druck nachgewiesen werden.

Es handelt sich dabei um Winddrücke von 94mmWS, 83mmWS und 97mmWS. Bei letzter Angabe kann ich kaum glauben, dass man solch hohen Winddruck fabrizieren konnte. Und zwar liegt mir eine Aufzeichnung vor, dass es EFW im Ulmer Münster 1856-58 nicht gelang mit 8 oder 9 Kalkanten einen ordentlichen Winddruck von 95mmWS im Pedal hinzukriegen, weswegen man dort bald zu einer Dampfmaschine zur Erzeugung des Windes überging. Auch meine Feststellung, dass nach 1871 (bei der Einführung des Metermasses in Deutschland) erhebliche Fehler bei der Umrechnung von Grad in mm durch Orgelbauer gemacht wurden, bestätigt Jehmlich in seinem Schreiben. Außerdem schreibt Jehmlich, dass bei vielen Orgeln Silbermanns zunächst ein relativ hoher Winddruck bei Restaurierungen vorgenommen, später aber wieder zurückgenommen wurde. (Eine Feststellung, die Prof. Heinz Wunderlich(1919-2012)  bei allen Restaurierungen der Schnitger-Orgeln seinerzeit gemacht hat)

Bälge bei Walcker-Orgeln

Eberhard Friedrich Walcker hat in motorlosen Balgzeiten ab etwa 1842 Kastenbälge gefertigt, was allerdings bei den ganz großen Orgeln zu Problemen geführt haben soll. Die erste Großorgel, die in Deutschland mit einer winderzeugenden Maschine betrieben wurde, war die Walcker-Orgel im Ulmer Münster, die gegen 1860 eine Dampfmaschine erhielt, welche außerhalb der gotischen Mauern die Bälge der großen Orgel antrieb und die im Laufe der Zeit immer wieder durch andere Balg-Konstruktionen aufgefallen ist.

Ich denke, dass Kastenbälge wohl den beruhigtesten und konstantesten Wind erzeugen, den man sich denken kann. In heutigen Zeiten kann man das Hochziehen dieser Bälge mit synchronisierten Schrittmotoren realisieren, so dass kein fauchender Unruhemotor mehr in die Windkanäle einblasen kann. Bei der Orgel in Hoffenheim (1845-1848) hat EFW die ersten Kastenbälge (4 Stück) eingebaut. Walcker restaurierte um 1994 die Walcker-Orgel Opus 208, II/17 in Erlenbach mit einer Kastenbalganlage mit 3 Bälgen. Davon zwei Abbildungen:

links Fotos bei Restaurierungsarbeiten i.d. Werkstatt, die Zeichnung rechts zeigt oben die Ansicht für die drei Fusstritte zum Hochziehen der Bälge

Aber EFW hat von Aristide Cavaille-Coll nicht nur das „Blaupapier“ kennengelernt, sondern auch den Doppelfaltenbalg, der dann wohl ab 1860 Standard bei Walcker werden sollte. Diese Doppelfaltenbälge wurden meist mit Fußtritten und Schöpferbalg unter dem Magazin bei kleinen Orgeln mit Wind gefüllt, bei größeren Orgel wie in Motherwell (1899/II23) wurde mit einem von Hand betriebenem Rad und Transmissionswellen ein dreifaches Keilbalgsystem betrieben. Dieses von Hand betriebene Rad, das eine Pleuelstange bewegt, die wiederum den Tritt für den Schöpferbalg bewegt, wurde bei aufkommender Elektrizität dann gelegentlich mit einem Motor angetrieben – eine tolle Idee, die einen viel besseren, beruhigten Wind lieferte, wie die Zeichnung vom Leipziger Conservatorium zeigt:

Ein mit Handrad betriebenes Windsystem zeigt das Zeichnungsdetail einer III-man. Walcker-Orgel in Mexiko:

Als Reservoir dienten in Motherwell zwei große Magazinbälge ohne Ventile, darüber jeweils ein großer Keilbalg. Diese beiden Keilbälge regulierten mit Klappventilen den Druck von rund 90mmWs, der zu den Pfeifen führte. Auf der Zeichnung kann man schön den alten Antrieb mittels 3facher Wellen und  Keilbälgen im Kellerbereich der Orgel sehen. Hierzu die komplette Zeichnung Motherwell:

Als um die Jahrhundertwende dann die Motorgebläse aufkamen, hat man oft ohne eigenen Motorbalg diesen total unruhigen Wind der Schleudergebläse direkt in die Magazinbälge hineingeblasen, was sich elementar ungünstig für Pfeifen kleiner als 2′ ausgewirkt hat. Der Umstand, dass wir uns in der Spätromantik nur mit wenig kleinen Pfeifen herumschlagen mussten, hat das Übel leicht überdeckt.

Spätestens aber nach dem II.WK, als Sachverständige wie Adolf Graf eine Barockisierung dieser kleineren spätromantischen Instrumente vornahmen, wurde rasch klar, dass Zimbeln auf Kegelladen mit Motorgebläse die Dreieinigkeit des Bösen darstellte und der Klang keinem ästhetisch gesinntem Ohr mehr gefallen konnte. Auch war diese völlige Verkennung der Ursachen ein Grund gegen Kegelladen und Taschenladen zu polemisieren und derartige Konstruktionen zu verteufeln, was zu tausendfachem Mord-und Totschlag romantischer Unschuldsorgeln führte.

Einen großen Witz fand ich bei der Walcker-Orgel in Meckenheim (Opus 123, Bj 1854, II/15), wo noch die Disposition weitgehend erhalten blieb, aber auf Veranlasssung des SV Kaleschke ein minimalistischer Schwimmerbalg direkt hinter dem Motor im Untergehäuse eingebaut wurde, während man die ursprüngliche Kastenbalganlage entfernt hatte.

Natürlich ist ganz klar, dass ein Balg in Schuhkartongröße keine Chance hat das erhaltene Pfeifenwerk annähernd an die Klangeigenschaften der ursprünglichen Orgel aus Eberhard Friedrich Walcker’s Hand heranzuführen. Es ist schon ungeheuerlich mit welchem Dilettantismus  unsere besten historischen Instrumente versorgt werden. Dazu muss man schon als Mathematiker der ganz kleinen Zahl geboren worden sein.

Zur Zeit werden von Michael Walcker-Mayer in Österreich die Bälge der großen Walcker-Orgel im Zagreber Dom frisch beledert. Die Orgel wurde ursprünglich von EFW 1855 mit III/52 gebaut. (1912 wurde die Orgel auf III/60 erweitert, elektrifiziert, und mit Motor und Magazinbälgen ausgestattet, 1939 kamen weitere Register dazu und 1988 wurde die Orgel mit IV/78 Register, neuem Spieltisch und komplett neuer Verkabelung, auf die heutige Größe festgemacht). Interessant war für mich der Umstand, dass ein relativ kleiner Motorbalg, ausgeführt als Doppelfaltenbalg, aber immerhin 700mm Faltenaufgang, dort seine Dienste tat.

Und somit sind wir beim eigentlichen Thema. Die Doppelfaltenbälge haben natürlich doppelten Faltenaufgang im Vergleich zu den Einfaltenbälge, die Oscar Walcker ab den 1920 Jahren in seinen Orgelbau eingeführt hatte, weil eben mit Aufkommen der Orgelbewegung die Windmengen und nachlassendem Baßfundamente in den Orgeln geringere Windvolumen erforderten. Die Schwimmerbälge waren bei den aufkommenden Kleinorgeln der 1930er Jahre notwendig geworden, weil hier zuwenig Platz für Faltenbälge zur Verfügung stand. In unseren Positiven, die in den 1950-1960er Jahren zu tausenden gebaut wurden, waren nur noch größere Zigarrenkisten als Schwimmer für Winddrücke um 50mmWS erforderlich.

Zu dieser Geschichte kurz und bündig (mit Bildern der Fa. Laukhuff) die Entwicklung vom Zweifalten-Magazinbalg zum „einfältigen“ Balg, um dann beim Schwimmerbalg zu endigen:

Wir haben das schön beobachten können bei der Restaurierung der Walcker-Orgel Opus 2654, Bj. 1939, III/54, in Bukarest Athenäum, in der ausschließlich Einfaltenbälge ihre Dienste tun. Der Motorbalg hat hier eine Länge von 1.260mm x 1.000mm und reguliert die 160mmWS des Motors auf 130mmWS. Dieser Wind wird über einen Kanal von 250x400mm an die drei Bälge der Manuale und einen Balg fürs Pedal weitergeführt.

Einer der fünf Einfaltenbälge in Bukarest

Der Einfaltenbalg des HW reguliert auf 90mmWS während die beiden anderen Manualbälge auf 95mmWS mittels Gewichten eingestellt werden. Wichtig ist eigentlich nur, dass die Differenz zwischen den Bälgen nicht mehr als 30-35mm WS betragen soll. Das Pedal dieser Orgel hat bei weitem nicht mehr diese Bassdominanz wie vergleichbare Orgeln vor dem I.WK, weswegen wir hier (im Vergleich zur Orgel in Straßburg St. Paul) von einer biologischen Degenereszenz reden können.

Und nun zurück zu unserem Vorhaben einen durch Feuchtigkeit und Wasser zerstörten Balg zu ersetzen. Klar war für mich, dass wir keinen Magazinbalg mit historischer Verleimung verwenden können, weil dort im Kellerbereich der Kirche, wo offensichtlich auch Grundwasser auftritt und bei regenreicher Zeit ( und das gibt es in Schottland öfters) ein Überlauf entstehen kann, immer mit Auflösung dieser Haut-oder Knochenverleimung  gerechnet werden sollte.

Also überlegten wir uns eine Schwimmerbalgkonstruktion, die aber nur mit doppelt vernähtem Gummituch anstelle des üblichen Leders ausgeführt werden sollte. Diese sollte mit einer Reise von rund 400mm ausreichend Volumen abdecken und es muss sichergestellt werden, dass wir tatsächlich einen Druck von 200mmWS auf 150mmWS herunterregulieren können. Dann kam eine weitere Überlegung dazu, dass wir diese Konstruktion „idiotensicher“ vor dem Zugriff anderer Handwerker machen müssen, die regelmässig dort Kabel verlegten und seltsame Einlagerungen vorgenommen haben.

Nun, das Ergebnis ist dieser Schwimmerbalg, der innen mit 8 Rahmen, die mittels Gummituchscharnier sowohl mit dem Boden als auch der Deckplatte verbunden sind und dadurch der Deckel total parallel nach oben aufgeht. Also auch ein Deplazieren der Gewichte, was hier mehrfach geschah, wird dieser Balg nicht mit schiefgängigem Hochfahren der Deckelplatte quittieren. Der Winddruck des Motors von 200mmWS muss durch diesen Balg auf rund 150mmWS reduziert werden, bevor der Wind weiter in die beiden Magazinbälge geleitet wird. Daher werden wir das extra starke Gummituch doppelt genäht einsetzen.

Also das waren die Gedanken eines Orgelbauers vor einer schlichten Planung, wie man gestern und heute mit Bälgen umgegangen ist und umgehen sollte. Die Auffassung „der Motor bläst mit viel Druck und Windmenge in irgendein Regulatorium“, das war in jedem Fall immer schon falsch. Der feine Wind erst ermöglicht feinen Klang.

gwm

Walcker-Orgel im Konservatorium Petersburg: hier treibt ein vom Fitnessstudio Durchtrainierter drei ausgewachsene Magazinbälge mittels Drehrad an

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über Tasten, Mäuse und eine Toccata…

oder über drei Orgeln, die unser Leben quasi dauerhaft nun begleiten, wie jene aus Tomintoul, Inveraven und nun auch Bovesse (das wir auf unseren Fahrten nach Schottland zwangsläufig tangieren).

…die Tasten

Dazu hat sich auch ein Örgelchen gesellt, das nicht unbedingt auf unserer Speisekarte stand, nun aber mehr und mehr in Erscheinung tritt, nachdem auch dort ein qualitätsbewußter Organist sein Wesen treibt: Die Kochorgel in Solingen-Burg. Klanglich nach der letzten Restaurierung nicht unbedingt ein Hit, aber wir üben uns in Ahnungen. So wurde vom Organisten zuerst einmal bemängelt, dass die schwarzen Tasten ohne Verjüngung nach oben, also rundweg das Plumpeste, was man damals in der Erbauerzeit um 1929 zu tun fand, wurde hier realisiert.

… die Mäuse

Immer in Schottland’s Orgeln anzutreffen, Mäuse- und Rattenfallen. Dieses Jahr fanden wir gar eine Reihe von 50 Maulwürfen an einem Gartenzaun aufgehängt, was den naturverbunden Schottenstil im Umgang mit seiner Natur bestens veranschaulicht. Die hier gezeigten toten Mäuse, alle zutiefst musikverbunden, waren in Orgeln anzutreffen, die immer mal gestörte Baßpfeifen mit Sprachschwierigkeiten hatten, weil die pneumatischen Lederteile angefressen waren.

Anders war es übrigens mit unseren Bässen in Tomintoul, wo, wie gesagt, die Orgel seit 115 Jahren eine Transponiervorrichtung ihre Dienste anbot, aber die Organisten einfach vermuteten, dass die untersten tiefen Töne keinen Klang erzeugten. Oft wunderten sich auch Organisten, dass das große C des Bordun keinen vernünftigen Klang produzierte, bis man die Mütze und Kärtchen der Gesangbuchanzeige aus der Pfeife dann entfernte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier noch ein paar Hinweise auf gängige Rundwege durch die Highlands. Der linke führt direkt ins Verderben: möglich, dass man 30 Meilen läuft ohne einen einzigen Menschen anzutreffen. Der rechte Weg deutet auf gesellige aber auch belanglose Gespräche in den Destillen.

die Toccata….

Sie wurde bei der Einweihung auf der 3registrigen Orgel in Bovesse gespielt und ich denke, dass esam besten zeigt, welche Möglichkeiten diese kleinen Orgeln bieten, wenn man sich die Sache auf dem Video anhört. 

 

Tomintoul und Inveraven aus der CD von Schmitt bespielt, während die Barras-Toccata von Benoit Lebeau am Ende der Orgelweihe in Bovesse am 4.Mai das Publikum begeisterte.

 

 

 

 

Hier also das Video:

 
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Wartungen in NRW und etwas mehr…

Vergangene Woche waren wir auf Wartung in Nordrhein-Westfalen tätig und trafen zwei ganz interessante Orgeln an, die hier mit ein paar Fotos dargestellt werden soll. Also Instrumente abseits aller Aufmerksamkeit, aller Wohlgeformtheit und abseits allem populärem mainstream.

Hier zunächst einmal das vierregistrige Instrument in Reckenroth (Schleiflade von Horn 1895, I/4) bei Limburg, das wir Ende kommenden Monat ausreinigen werden und klanglich etwas herrichten wollen. Das auf eigener Kanzelle aufgebaute Cornett war ursprünglich 2 fach, jetzt einfach. Dann gibt es noch ein Gedackt und Gemshorn 8′ und eine Flöte 4′.  Sieht interessant aus, klingt aber nicht besonders, was zu ändern wäre.

Horn-Orgel in Reckenroth

Dann waren wir an einer Walcker-Orgel aus 1940, II/13+3TR, elektropn. Kegel-und Taschenladen in der Nähe von Aachen. Diese Orgel ist technisch ganz gut in Schuß, entspricht aber leider im Klang nicht den Erwartungen (ihre Seele ist diesem Werk durch deutschgründliche Übereifrigkeit hinausgeblasen worden). Auch das wäre z.T. durch einfache Maßnahmen zu korrigieren. Ja, da denke ich mit Wohlgefallen an die warme Dusche des Principal 8′ in Bovesse.

Walcker-Orgel aus 1940 II/13+3 elektr.pneum. Kegel, Taschenladen

Kaum daheim angekommen, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, da sticht mir das Ars Organi 1/März 2019 ins Auge: der exakte Nachbau einer Voitorgel in Budapest. Also dort, wo sich die Populisten brav die Hände reiben und über alles „Fremde“ ihren Hass auslassen.

Nun, das ist nicht mehr der berüchtigte „Historismus“, der seit der deutschen Romantik als derbste Form des Kulturverfalls gebrandmarkt wurde, sondern es ist nur noch blanker, blutleerer Kitsch, der den Nihilismus des braven, deutschen Orgelbauerhandwerks dick unterstreicht. An der Aufmachung im Ars Organi streiten süßlicher Farbnebel auf der Titelseite und das große Engagement des Szabó Balázs gegeneinander.

Für das letztere wird man noch Verständnis aufbringen, während die Schokoladenverpackung mit historisch aufgemachtem Spieltisch den totalen Tiefstand des einst führenden europäischen Orgelbaus markiert. Selbst wenn die Vision eines Orgelbaus vor den Weltkriegen als großartig und erinnerungswürdig bezeichnet werden könnte, dann ist die Realisierung mit heutiger Technik und Hörgewohnheiten der ewig Angestöpselten ein grausames Spiel auf der Basis von oberflächlichem Augen-und Ohrenschmaus, der mit der ehemals tiefen Verbundenheit von Europäern und romantischer Orgelkultur nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.

Man kauft halt ein Möbel, das ein Besessener zu Orgelmusik bewegen kann. Im Prinzip eine total idiotische Idee, nur, dass der Vereinzelung des Idioten eine kapitale Industrieidee begleitend zu Seite steht und damit genügend Interessenten und eine echte Gemeinde aufgerufen sind, dabei zu sein, um so dem Werk Bedeutung und Geltung zu verschaffen.

An solchen Beispielen erkennen wir, wie armselig es ist, nur auf Vergangenheit angewiesen zu sein, weil eben der Digitalismus, der entscheidende Gegner des Ohrs, keine schaffenden Kräfte mehr zulässt. Es sind jetzt nur noch Ingenieure gefragte, keine Kunstschaffenden mehr.

Wir sitzen nicht auf den Schultern von Riesen, von wo aus wir die Geschichte und das Kulturschaffen von Jahrtausenden überblicken und uns dieses Ausblickes freuen dürfen, nein, wir sind so weit herabgesunken, dass wir diesen Ausblick in einfache Rechenaufgaben ummünzen und einsammeln, anstatt Kreativität und Schaffenskraft auf die Gegenwart und Zukunft zu richten.

Ganz ehrlich gesagt, ich weiß auch gar nicht, ob das überhaupt noch möglich wäre.

In jedem Fall ist es bedauernswert, dass wir gerade im Orgelbau, wo uns tagtäglich die Vergangenheit via Material und Klang befragt, nur noch im Gleichschritt mit „Fortschritt“ und „Vollendung der Technik“ beschäftigt sind und keinen Weg mehr sehen (neben dem riesigen Umweltdilemma) auf konstruktiver Kultur zu bauen.

gwm

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Bovesse (7) Abschluss

Am gestrigen Freitag, den 22.März konnten wir nach 10 Wochen Arbeit die Orgel wieder der Gemeinde in Bovesse übergeben. Am Ende dieses Beitrags kann man ein kleines Video sehen über ein paar Klangeindrücke. Ich hoffe, dass wir nächste Woche etwas mehr dazufügen können.

Hier noch ein Bild von letzten Arbeiten

darunter ein stimmungsvolles Bild der Orgel, das unser ganzes Streben zeigen sollte, und das mit dem Wort “ endlich Frieden“ umschrieben werden kann. Fotografiert kurz vor der Abfahrt am Freitagmittag.

Als ich den Principal 8′ zum ersten Mal durchgespielt habe, kamen mir tatsächlich Tränen. Es war einfach der Klang, der mit einem Wort umschrieben werden kann:  „Ludwigsburg“.

Didier D. der ein paar Improvisationen auf der Orgel spielen konnte, er war über 30 Jahre Organist an der Orgel, teilweise sogar, als diese noch auf der Westempore stand, meinte danach, nie habe das Instrument besser funktioniert und geklungen als heute. Das hat uns natürlich gefreut.

Einen Tag vorher haben wir mit dem Pfarrer der Gemeinden in und um Bovesse ein paar Musterbeispiele an Orgeln dieser Gegenden  angesehen und gehört:

Die Fabern Pels&Zoon Orgel in Saint Denis Op. 165 Baujahr 1942, auf elektropneumatisch gesteuerten Taschenladen, mit mäßigem Klangvermögen. Neobarocke Disposition, teils spätromantische Intonation. Aber alles funktionierte, wie es soll.

Eine nach französischen Vorbild gebaute Orgel, einmanualig, aber mit großartigem Zungenpleno, ein ganz herrliches Cornett und nicht zu verachtende, weiche  Flöten, vielleicht ist der Montre etwas zu dezent, steht in Rhisnes, Saint Didier. Ich schätze die Bauzeit auf etwa 1860.

Das alles spielt sich also in der Gegend unmittelbar nördlich von  Namur/Belgien ab. Die Kirchen hier in Belgien erhalten nicht wie in Deutschland Kirchensteuer und sind daher finanziell weniger in der Lage ihr Inventar in bester Laune zu halten. Schön ist es aber zu sehen, dass dennoch viel Interesse an realen Orgeln die Musik am Leben erhält. (in Bovesse stehen bereits zwei elektronische vertrocknete Seelen in verstaubten Ecken).

Und hier noch unser kurzes Klangfile:

zwei Ideen

Bovesse am Morgen des 19.März

gwm

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Bovesse (6) Wiedereinbau in die Kirche

Momentan haben wir die Walcker-Orgel Opus 1444 in Bovesse wieder aufgestellt. Damit ist das aus Do-Reinoldi und einer Synagoge stammende Instrument wieder an seinem Ursprung, wo es vor exakt 108 Jahren eingebaut wurde.

Durch einen Brand vor rund 30 Jahren mußte die Orgel von der Westempore abgebaut und in den Chorbereich eingebaut werden, was erhebliche Probleme mit sich brachte. So haben die damaligen „Umsteller“ mehrere Bleirohre einfach mit der Zange abgezwickt und sehr locker wieder zusammen gepriemelt. Der Rost der Orgel wurde zersägt und viele andere unschöne Sachen sind da passiert.

Ich denke wir haben hier nun eine gute Lösung bewerkstelligt und hoffen, dass die Orgel nun längeren Zeitraum hier unten bleibt und dass sie lange gut funktioniert.

Hier nun ein paar Bilder von der letzten Woche.

Windlade und Verrohrung konnten wir direkt vom Sprinter laden und in die Kirche hineinschieben

darauf folgte der Einschub des Balges

darauf hin wurde der Spieltisch angeschlossen und die ersten Pfeifen des Gedackt 8′ (C-H dienen dem Subbaß als c-h, und dem Salicional als unterste Oktave)

jetzt sind fast alle Ladenpfeifen eingebaut (der P4′ Prospekt fehlt noch, rechts und links haben wir noch C-H Princ 8 und C-H Subb 16)
die etwas komplizierte Pedalanspielung wird zum Einbau der Ped.Klav vorbereitet

und dann ist erstmal Ruhe
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Bovesse (5) Zusammenbau

Das nachfolgende Foto zeigt den Zustand den wir bisher erreicht haben: ein spielfähiges Örgelchen, das mit all seinen Feinheiten und Unfeinheiten gehörig an den Nervenenden zupfte.

Denn wenn man zum Ausbau eines Ventils mehr als 4 Stunden Arbeitszeit beansprucht, dann zeigt das, dass die Konstruktion nicht ganz überzeugen konnte.

Wir sehen an dem obigen Foto das eingebaute Register Gedackt 8′.

Es werden nun folgen der Salicional 8 und der Prinzipal 8 (C-H als Holzpfeifen rechts und links) auch die Subbaßpfeifen C-H stehen rechts und links, während c-f‘ vom Gedeckt als Subbaß via Transmission geborgt werden.

Durch die Superkoppel bekommt die Orgel etwas angereicherten Diskant.

Eine interessante Geschichte verbirgt sich in dieser kleinen Orgel. So war das Instrument für eine Synagoge geplant, dann wurde es in Dortmund Reinoldi für rund zwei Jahre ausgeliefert und kam dann nach Bovesse/Belgien. Auf der Entwurfzeichnung ist Opus 1494 vermerkt (Horschbach), was anzeigt, das möglicherweise mehrere solche Orgeln gebaut wurden.

Hierzu zwei Dokumente:

Entwurfszeichnung für die Interimsorgel

Hier noch die Draufsicht auf die blank gefegte Windlade:

Windlade Opus 1444
Auszug aus dem Werkbuch

Die Orgel wird nun in der kommenden Woche weitgehend in unserer Werkstatt fertiggestellt. Ein größeres Problem war neben der unglücklichen Umstellung von der Westempore in den Chor in Bovesse, der Befall durch Holzwurm, der sich sehr stark bei den Holzpfeifen und temporär an Rost und Trägern bemerkbar machte. Hier mussten erhebliche Teile komplett neu gemacht werden.

Jetzt hoffen wir, dass wir unseren geplanter Termin am 12.März mit Anlieferung in Bovesse einhalten können.

gwm

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Bovesse (4) das Geheimnis der Walckerschen Keilbälgchen

Mir hat nie ganz eingeleuchtet, dass man nach Anfertigung solcher Bälgchen, einen Pressvorgang ansetzte, der mehrere Monate dauern sollte.

Wir haben auf diesem Bild links Bälgchen, die gerade aus dem Leimvorgang entlassen wurden und nun etwas bewegt werden, um dann gepresst zu werden. Rechts haben wir eine Handvoll Bälgchen, die einen Tag gepresst wurden und bereits etwas Spannkraft haben.

Anders als bei einem Zustand der Schwangerschaft, wo bei Mensch und Tier etwas heranwächst, tut sich beim Pressen gar nichts, außer dass etwas atmosphärische Einwirkungen stattfinden. Der Pressvorgang selbst aber bleibt statisch und dadurch sind dessen Einwirkung auf das Stück Material sehr gering.

Diese Einsicht bewirkte, dass wir durch verschiedene Versuche beim Pressen der Bälgchen Wege zu grundlegenden Verbesserung dieser Fertigungsmethoden fanden.

Zunächst möchte ich zeigen, dass wir durch eine an Einfachheit kaum zu verbessernde Pressvorrichtung gefunden haben:

Mit dieser Vorrichtung können wir von einem Bälgchen aufwärts bis zu rund 80 Bälgchen mit einer einzigen Zwinge pressen. Durch die vier freilagernden Alu-Rohre werden die Bälgchen in einer geraden Linie gehalten. Wichtig ist während des Pressvorgangs mäßige Wärme zuführen und den Druck nicht extrem werden zu lassen.

Nicht 2 Monate, nicht einen Monat, sondern nach zwei Tagen sind die Bälgchen in Form und können eingebaut und geprüft werden.

Bei der Bass-Melodiekoppel fanden wir 60 Bälgchen, die mit Darmleder bestückt waren und dieses Leder restlos verbraucht war. Dieses Darmleder ist extrem schwierig zu verarbeiten. Durch den Ausfall aller dieser Bälgchen wurde die Spielbarkeit des Pedals und teilweise des Manuals erheblich eingeschränkt. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, die neu zu bestückenden Bälgchen mit Ia amerk. havanna Spaltleder auszurüsten. Das sollte mehr Stabilität in diesen Spieltisch bringen.

Hier ein Blick unter die Manualklaviatur in den Bereich der Pedal- und Superkoppel.

Bei Kegelladen hat Walcker bis etwa 1905 Bälgchen unter die Kegel gesetzt, weswegen hier bei der Firma ein gewaltiger Bedarf an diesen Bälgchen entstand. Danach wurden ja vermehrt Ausstromsysteme verwendet, wo eigentlich nur die Relais und Koppeln mit Bälgchen ausgeführt wurden.

Bei Kegelladen wurden dann eigentlich nur noch Membranen unter die Kegel montiert, das war einfacher und billiger. Dagegen sehe man sich einmal die Liste von Saverne (Op 793 Bj 1897) an, welche Mengen an Keilbälgchen da verbaut wurden.

Die verschiedenen Bauformen und Maße gehen aus diesen beiden Zeichnungen hervor.

gwm 10.Feb.2019

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Bovesse (3) Spieltisch und mehr

Wieder ist eine Woche vergangen und wir sind tiefer in die Walckersche Pneumatik von 1908 eingedrungen. Einmal dadurch, dass man sich mit der Historie etwas auseinandersetzte und den nachfolgenden Artikel aus dem Walcker-Prospekt von 1902 sich zur Kenntnis brachte. Zum Zweiten natürlich dadurch indem man an markanten Stellen zu arbeiten hatte.

Hier in dem nachfolgenden kleinen Artikel wird die erste Walcker-Orgel mit Membranladen beschrieben (Stiftskirche Neustadt Weinstraße, Opus 522, III/40, Bj 1889) mit der Walcker sehr negative Erfahrungen sammeln durfte.

Auszug aus Walcker Prospekt von 1902

Dann möchte ich über meine Spieltischzeichnung auf verschiedene Elemente und Möglichkeiten der Bearbeitung bei dieser Orgel in Bovesse hinweisen. Diese Zeichnung ist im Maßstab 1:1 erstellt. Es war eigentlich ein kleines Kunststück das Ganze auf jpg-format und noch gut sichtbar hinzukriegen.

Es sei darauf hingewiesen, dass bei einer solchen Orgel, die über 100 Jahre kaum nennenswert überarbeitet wurde erhebliche Belastungen der Arbeit durch Einwirkungen auf das Material zu erwarten sind. So sind die Bleiröhren mit stark ermüdetem Material ausgestattet, was bei der Arbeit und jeglicher Bewegungen sich bemerkbar macht: die Röhren brechen schnell, Ausbau aus den Leisten wird sehr mühsam. Das trifft auch auf die Schrauben zu, die teilweise so stark verrostet sind, dass man sie mit normaler Schraubendrehung kaum aus ihrem Sitz bekommt. Hinzu kommt, dass das sehr weiche Eisen dieser Schrauben Probleme am Schraubenschlitz verursachen.

Hier ein Foto aus dem Spieltischbereich (Tastenrelais)

Schnell ist die Schraube auch in der Mitte abgebrochen und man beschäftigt sich mehr als einem lieb ist mit „Bergungsarbeiten“.

Noch schlimmer trifft die Oxidation bei den Ventilen und ihren dünnen Gewindedrähten zu (siehe obiges Foto). Hier trifft Leder(Gerbung) auf Messing, und das sind böse Zeichen dafür, dass kleinste Bewegungen zum Abbruch führen können. Die Farbe „Türkis“ auf solchen Metallen signalisiert, ganz anders als entspannter italienischer Himmel, hier höchste Gefahr.

Bei der mir bisher noch in allen Einzelheiten unerschlossenen Bass-Melodie-Koppel im Pedal haben wir die neue Erfahrung machen müssen, dass diese Bälgchen, die mit Darmleder garniert waren, allesamt restlos verdorben waren. Schon kleinste Bewegungen zeigen an, dass alle Bälgchen neu beledert werden müssen.

Wie zuvor muss auch hier wieder Darmleder verwendet werden, weil anderes Leder die Teilung und den Gang der Bälgchen nicht mitmachen würde. Das sind neue Leim- und Montagetechniken, die nicht unterschätzt werden dürfen.

Hier noch ein paar Fotos zur Bass-Melodiekoppel, die wie eine fragende Sphinx auf uns einwirken:

Bassmelodiekoppel, links die Bälgchen, rechts Unterseite der Ventile
darunter die Oberseite mit den verschiedenen Ventilen
das untere Brett zeigt die Bohrungen, die von den Ventilen gesteuert werden, Was nicht sichtbar ist, das sind die Verfräsungen von Bohrung zu Bohrung. GottseiDank konnte ich eine Zeichnung zu dieser pneumatischen Maschine in meiner Digital-Sammlung ausmachen.

wie man an diesen Registerschaltern sieht, wurde die Bass Melodie später
hinzugebaut

auch die Tasten mussten neu unterlegt und ausgetucht werden

gwm

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Bovesse(2) – Membranlade, einige Gedanken

Wir sind beim Auspacken der Orgel ganz schön erschrocken, was da alles Mögliche zu Tage trat und was für gehörige Arbeitszeiten da wohl auf uns lauern.

Nun, das Problem an solchen Instrumenten ist, dass man ihre Schwächen und Leiden erst richtig erkennt, wenn man sie ganz und restlos auseinander genommen hat. Dann aber, spätestens, sollte man sich mit spitzen Stift hinsetzen und vom Rätselraten sollte man in eine Form von Deutung übergehen, was hier mal versuchsweise getan wird.

Bei Ausstromsystem wie hier in Bovesse, werden die Ventile unter den Pfeifen vom Wind entlastet, oder wie der Name schon andeutet, „der  strömende Wind ausgeschaltet“, damit die Funktion „Pfeife erklingt“  realisiert wird.

Ich habe das in den zwei nachfolgenden Bilder schematisch dargestellt. Wir haben also bei klingender Pfeife (Bild2) keinen Wind in der Membrane. Dieses Ventil wird durch den Pfeifenwinddruck aufgedrückt und damit, wie ich meine, ein sehr organischer Vorgang für die Klangerzeugung in Gang gesetzt.

Bild (1) Membranwindlade kein Ton gedrückt, Register ein

Bild (2) Membranlade Ton gedrückt, Register ein, Pfeife kann erklingen

Es gibt bei Walcker drei verschiedene Ausstromsystem: die Hängebälgladen (Michaeliskirche Hamburg), Taschenladen ( das am meisten verwendete System nach 1910. Ich denke, dass in den 20-30er Jahren hier in Europa kaum nennenswerte Instrumente mit anderem System bei Walcker gebaut wurden)  und diese Membranladen.

Oscar Walcker war da sehr flexibel. In Kairo (1912) finden wir Hängebälgladen, in Mittel- und Südamerika sind es bis zum Ende der 50er Jahre fast immer Kegelladen. In vielen Orgeln vor dem I.WK finden wir (Namur) diese Membranladen. Und in Bukarest (1939) haben wir neben den hauptsächlich verwendeten Taschenladen im SW Kegelladen, die am Ende seiner Laufbahn von Oscar Walcker als das optimalste System bezeichnet wurden.

Hier Fotos von den Balgbrettchen, wie in den obigen Zeichnungen angedeutet:

 

Diese Lade hier in Bovesse hat ihre Probleme nicht hauptsächlich wegen den Ventilen in der Windlade sondern wegen den Bälgchen im Spieltisch und unter den Windladen.

Walcker hat bei den Windladen ein Spielbälgchen, das mit geringerer Kraft ein kleines Ventil öffnet, das das Ladenbälgchen öffnet, welches wiederum ein Ventil bewegt das den Membranen den Saft entzieht. Mit diesem frischen Wind wird mehr Kraft freigesetzt und der feste Andruck dieses Relaisbälgchens ist für schnelle Repetition wichtig.

Die Membranlade von oben nach abgebauten Stöcken

Wir sehen von rechts an das Gedeckt 8′, das als Transmission im Manual und Pedal verwendet wird, dann die Relaiskanzelle wie oben gezeichnet, dann die Membranen für das Gedeckt 8′ des Manuals.

Dann haben wir noch einige Arbeiten an dem Spieltisch begonnen, der dafür, dass es sich nur um einen einmanualigen Spieltisch handelt, ganz schön kompliziert von hinten ausschaut. Ein paar Erklärungen befinden sich auch hier zum näheren Verständnis.

 

Ein großer Nachteil der pneumatischen Steuerungen aus Orgeln, die über hundert Jahre alt sind, sind die Materialermüdungen der Bleirohre. Um an die Ventile oder wie hier an die Pedalrelais überhaupt hinzukommen, müssen erhebliche Bleirohre ausgebaut werden. Und da fängt das Problem an, dass beim Ausbau schon vereinzelte Rohre in den Rohrleisten abbrechen werden.

Es gibt heutzutage allerdings die Möglichkeit gute und exakt passende Messing- oder Kupferhülsen zu bekommen, die man über die Bleirohre ziehen kann.

Völlig unmöglich ist es natürlich eine solche Arbeit mit Kunststoffschläuchen, wie es hier geschehen ist, durchzuführen. Dieses Material verändert sich bei gediegener Wärme dramatisch und verhindert oft damit, dass der Wind ausreicht, weil der Querschnitt minimiert wird. Ganz abgesehen vom ästhetischen Standpunkt.

gwm

 

 

 

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