Wir sind beim Auspacken der Orgel ganz schön erschrocken, was da alles Mögliche zu Tage trat und was für gehörige Arbeitszeiten da wohl auf uns lauern.
Nun, das Problem an solchen Instrumenten ist, dass man ihre Schwächen und Leiden erst richtig erkennt, wenn man sie ganz und restlos auseinander genommen hat. Dann aber, spätestens, sollte man sich mit spitzen Stift hinsetzen und vom Rätselraten sollte man in eine Form von Deutung übergehen, was hier mal versuchsweise getan wird.
Bei Ausstromsystem wie hier in Bovesse, werden die Ventile unter den Pfeifen vom Wind entlastet, oder wie der Name schon andeutet, „der strömende Wind ausgeschaltet“, damit die Funktion „Pfeife erklingt“ realisiert wird.
Ich habe das in den zwei nachfolgenden Bilder schematisch dargestellt. Wir haben also bei klingender Pfeife (Bild2) keinen Wind in der Membrane. Dieses Ventil wird durch den Pfeifenwinddruck aufgedrückt und damit, wie ich meine, ein sehr organischer Vorgang für die Klangerzeugung in Gang gesetzt.
Bild (1) Membranwindlade kein Ton gedrückt, Register ein
Bild (2) Membranlade Ton gedrückt, Register ein, Pfeife kann erklingen
Es gibt bei Walcker drei verschiedene Ausstromsystem: die Hängebälgladen (Michaeliskirche Hamburg), Taschenladen ( das am meisten verwendete System nach 1910. Ich denke, dass in den 20-30er Jahren hier in Europa kaum nennenswerte Instrumente mit anderem System bei Walcker gebaut wurden) und diese Membranladen.
Oscar Walcker war da sehr flexibel. In Kairo (1912) finden wir Hängebälgladen, in Mittel- und Südamerika sind es bis zum Ende der 50er Jahre fast immer Kegelladen. In vielen Orgeln vor dem I.WK finden wir (Namur) diese Membranladen. Und in Bukarest (1939) haben wir neben den hauptsächlich verwendeten Taschenladen im SW Kegelladen, die am Ende seiner Laufbahn von Oscar Walcker als das optimalste System bezeichnet wurden.
Hier Fotos von den Balgbrettchen, wie in den obigen Zeichnungen angedeutet:
Diese Lade hier in Bovesse hat ihre Probleme nicht hauptsächlich wegen den Ventilen in der Windlade sondern wegen den Bälgchen im Spieltisch und unter den Windladen.
Walcker hat bei den Windladen ein Spielbälgchen, das mit geringerer Kraft ein kleines Ventil öffnet, das das Ladenbälgchen öffnet, welches wiederum ein Ventil bewegt das den Membranen den Saft entzieht. Mit diesem frischen Wind wird mehr Kraft freigesetzt und der feste Andruck dieses Relaisbälgchens ist für schnelle Repetition wichtig.
Die Membranlade von oben nach abgebauten Stöcken
Wir sehen von rechts an das Gedeckt 8′, das als Transmission im Manual und Pedal verwendet wird, dann die Relaiskanzelle wie oben gezeichnet, dann die Membranen für das Gedeckt 8′ des Manuals.
Dann haben wir noch einige Arbeiten an dem Spieltisch begonnen, der dafür, dass es sich nur um einen einmanualigen Spieltisch handelt, ganz schön kompliziert von hinten ausschaut. Ein paar Erklärungen befinden sich auch hier zum näheren Verständnis.
Ein großer Nachteil der pneumatischen Steuerungen aus Orgeln, die über hundert Jahre alt sind, sind die Materialermüdungen der Bleirohre. Um an die Ventile oder wie hier an die Pedalrelais überhaupt hinzukommen, müssen erhebliche Bleirohre ausgebaut werden. Und da fängt das Problem an, dass beim Ausbau schon vereinzelte Rohre in den Rohrleisten abbrechen werden.
Es gibt heutzutage allerdings die Möglichkeit gute und exakt passende Messing- oder Kupferhülsen zu bekommen, die man über die Bleirohre ziehen kann.
Völlig unmöglich ist es natürlich eine solche Arbeit mit Kunststoffschläuchen, wie es hier geschehen ist, durchzuführen. Dieses Material verändert sich bei gediegener Wärme dramatisch und verhindert oft damit, dass der Wind ausreicht, weil der Querschnitt minimiert wird. Ganz abgesehen vom ästhetischen Standpunkt.
gwm