San Salvador (3) Anpassung

Von Kardinälen, von Generälen, Politikern und am Ende handelt es sogar von Orgelbauern die zum Empfang der Deutschen Botschaft anlässlich des Tages der Deutschen Einheit im hochangesehenen Hotel Barcelot in San Salvador geladen waren.

Dazu wurde sogar unsere Orgelrestaurierung in der von der Botschaft zu diesem Ehrentag herausgegebenen Zeitung entsprechend erwähnt. Am Ende gabs neben Hofbräu-Bier, Leberkäs mit Sauerkraut. Schön und präzis war die eingangs von Jugendlichen vorgetragene Hymne auf „El Salvador“ und „Deutschland“. Hat mich sehr beeindruckt, weil man manchmal gar nicht glauben kann, dass hier überhaupt etwas fehlerfrei von statten gehen kann.

Nachdem die Bälge gut untergebracht und alle Membranleisten ausgebaut sind gehen wir an die Restaurierung des Spieltisches. Hier habe ich die Absicht das 14V Netzteil unterzubringen und zuerst nach der Überholung den Spieltisch abgetrennt von der Orgel auszuprobieren. wir hoffen, dass dann alle Werkzeuge, Messgeräte und Materialien via Paketsendung unseren Zielort erreicht haben.

Die Kontakte des ersten Manuals sind an den Federn völlig oxidiert und sind gründlich zu reinigen.

Es wurde zu dieser Zeit bei den Kontaktschienen eine Art Phosphorbronze verwendet, die schnell oxidiert, während das Oxid der Silberkontakte auch noch Strom leitet.

Bei den Registertasten haben wir viele abgebrochene Kontaktfedern, wahrscheinlich durch Fehlbehandlung bei Reparaturen. Außerdem fehlen Federn. Die ehemals weißen Registertasten haben sich in unansehliche braun-dunkelgelbe Elemente verwandeln, die mit reinem Wasser gereinigt wieder ästhetischen Glanz gewinnen.

Alle furnierten Holzteile wurden scheinbar mit Warmleim beklebt, was viele Loslösungen des bei dieser hohen Luftfeuchte Furniers verursachte.

Gottseidank haben wir hier im Orgelinneren und auch am Spieltisch keinerlei Holzwurmbefall feststellen können, wie es hier in Mittelamerika sehr oft vorkommt. Daher können wir uns auf die grundlegende Reinigung und Beseitigung der Mängel durch Feuchtigkeit begrenzen.

 

gwm

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San Salvador (2) erste Eindrücke

Die Orgeln Mittelamerikas haben zwei entschiedene Gegner: das Klima( hohe Luftfeuchte die sich mit starker Trockenheit abwechselt) und die Handlanger, die sich zum Orgelbauer berufen fühlen (mal abgesehen von den Elektrikern, die allesamt ohne jegliche Ausbildung sind und von einer deutschen Berufsgenossenschaft sofort verhaftet werden würden.

Gegen diese zwei Gegnerschaften gilt es bei Restaurierungen Maßnahmen zu ergreifen. Das gelingt beim Wetter halbwegs. Wir konnten so in eine 32Register-Orgel Costa Ricas eine Regenrinne in eine Orgel  einbauen, weil die Dachdecker es nicht geschafft haben, den Raum über der Orgel abzudichten.

Hier und jetzt aber wollen wir nicht zu viel klagen und unsere ersten Schritte in San Salvador, der gefährlichsten Stadt der Welt , etwas erläutern:

  1. Wir haben die drei Einfaltenbälge ausgebaut und überprüft. Sie wurden vor rund dreißig Jahren mit völlig falschen Mitteln repariert und waren danach nicht mehr in der Lage sensitive Regulierungsmaßnahmen durchzuführen. (falscher Leim, völlig verfehlte Materialien etc.) Diese Bälge stehen jetzt zur Restaurierung an. Das wird unser Ukrainer Vilaliy Chychevvsky aus Lemberg durchführen.

2. Wir haben nun alle Membranleisten ausgebaut und diese behandelt. Die Membranen werden i.L. der nächsten Tage erneuert, dann erfolgt der Wiedereinbau

3. Begonnen wurde die Restaurierung des Spieltisches, in den irgendwann einmal Wasser eingedrungen sein musste. Aber auch ohne das Wasser, es sind alle Metallteile sehr stark oxidiert und besonders die Kontakte müssen gründlich überarbeitet werden. Das Äußere sieht schrecklich aus. Die Tasten wurden von einem „Tastenkiller“ mit Heißluftgebläse ruiniert. Das hat diese Person bereits an mehreren Spieltischen verbrochen, ich hoffe man schnappt ihn einmal.

4. Die elektrische Installation hat schwer unter den klimatischen Verhältnissen gelitten und muss sehr aufwendig überarbeitet werden.

Aber wie man sieht haben wir auch eine herrliche Ruheinsel neben der Basilica gefunden, wo es einen guten Café Salvadoria und kühles aqua gibt, direkt an der Panamericana – einer Autostraße vom Süden Chiles bis hinauf nach Alaska, die längster Autostraße der Welt.

und daneben Blütenblätter eines afrikanischen Flammenbeerbaumes, über die man täglich gedankenlos geht. Ja das Land hat was, besonders unser „Paradiesgarten“ im Priesterseminar.

gwm

 

 

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San Salvador Ankunft

Nach 30stündiger Reise über Punta Cana, dann Panama, um schließlich morgens um 8Uhr unserer Zeit  in der Unterkunft im Priesterseminar am Plaza Guadalupe ins Bett zu fallen. Erster Eindruck: viel grün, viel Ruhe, auch Stille gibt es.

Nach gut 3 Stunden Schlaf am gleichen Morgen nach dem Frühstück gings in die Orgel, um mit dem mitgebrachten Werkzeug erste Abbauarbeiten vorzunehmen. Wie aus einer Kohlenzeche ausgespien sah man da aus.

 

Der Motorbalg gab mal gelinde 75mm Winddruck ins Orgelinnere, was den beiden Einfaltenbälgen ein müdes Lächeln abgerungen hat. Sie wollten einfach  nicht steigen. Die angeschlossene Lichtmaschine verringerte die Power des Motors enorm und natürlich haben Gewichte gefehlt, die man für andere Baumaßnahmen verwendet hatte.

Die Lichtmaschine wurde also gleich demontiert, hier wartet man auf eine elektronische Spannungsquelle. Dann, so ganz langsam, bekam man noch am ersten Tag einen leichten Lichtblick über die Orgelzustände und es wurden alle Bälge abmontiert und ins Freie verbracht.

Alle Holzpfeifen waren mit bis zu 1 cm breiten Rissen durchquert. Hohe Luftfeuchte und dann radikale Trockenheit hatten hier ihre Finger drin.  Die Orgel-Kabelanlage macht einen grausigen Eindruck. Noch schlimmer ist es beim Drehstrom, dessen Anschlüsse ohne Schutzbleche oder andere Sicherungsmaßnahmen höchste Gefahr signalisieren.

Klar ist, dass man in solchen Ländern die Hausspannung nur bei 110V belassen kann, ansonsten gäbe es Mord und Totschlag.  Den gibt es zwar auch, denn hier in der Stadt soll es 125 Tote durch Verbrechen jede Woche geben. Oberstes Gebot ist es hier also: unbedingte Sicherheit einwägen – in allen Fällen.

Mittags gings über die Brücke, welche die Panamericana überquert, zum Food-Center der riesigen Shoppingmal, wo man sich aus 14 Restaurants das Beste ausgesucht hat, die chinesische Küche mit frischem Gemüse und regem Andrang.

Dann leuchtete die Basilica  Nuestra Señora de Guadalupe, die wie viele andere ihren Namen der Ortschaft in der Extremadura verdankt, in dessen Catedral eine recht beschauliche Walcker-Orgel ihre Dienste verrichtet, in hellem Lichte.

gwm

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zu Goethes „Murrhardt Stadtkirchenorgel“

Hierzu haben wir einige Kommentare erhalten.

Ein ganz wichtiger Kommentator hat mich allerdings überzeugt: Die Arbeiten der Firma Kreisz in den Jahren 2001 wurden in Murrhardt sehr begrüßt – uns, der Firma Walcker kam es allerdings spanisch vor, dass keinerlei Rückfrage zur Erbauerfirma stattgefunden hat. Aber das bleibt der Rangfolge an weiteren Fragwürdigkeiten, die uns der Sachverständige und das Murrhardter Pfarramt serviert haben als kleinstes Problem übrig.

Hier der Artikel der Murrhardter-Zeitung aus 2001

Kreisz hat, wie im beigefügten Artikel der Murrhardter Zeitung zu entnehmen ist, eine Summe von DM 135.000,– erhalten. Eine Riesensumme an Spendengelder, die praktisch 20 Jahre nach Erbauung der Orgel flossen, um dann keine zwanzig Jahre später erneut mit Abbau der Orgel als vergebliche Liebesmüh gezeitigt zu werden, indem  die Besorgnisse der Kirchenspender in  den Müll getütet wurden. Eine Verschwendung, die uns sprachlos macht.

Was für eine arrogante und maßlos gewordene Kirche soll hier noch Glaubwürdigkeit verbreiten? Das ist die Frage, welche uns beim Anblick der Murrhardter Geschehnisse umtreibt.

In der heutigen Zeit, wo wir besorgt auf die ausgebeutete und erschlagene Natur blicken, sinnbildlich gedeutet auf den schönen Murrhardter Wald, und hier bei der Bornefeld-Orgel deuten wir auf den massiven Eichenprospekt. Soweit ich mich erinnere wurden mehr als 4cbm Eiche verschafft. In einer Zeit, in der die Probleme ganzer Weltteile auf uns einstürzen und wir unsere christliche Ethik nur noch wahren können, wenn wir eiserne Disziplin walten lassen.

Und hier im kirchenmusikalischen Hinterland wird ein Tanz ums Goldene Kalb vollführt, wie wir es nie zuvor in dieser Gleichgültigkeit erlebt haben, gespickt mit tollen Kommentaren vom Bauamt und Sachverständigen, die alle nur eins gemein haben, nämlich ihre Hände in Unschuld waschen  zu wollen. Weil ja ein maßloser Spender gewissermaßen die christliche Ethik mit Geld zuschüttet.

So fragt mich ein Orgelbaumeister: Wer hat denn die Arbeit von Kreisz befürwortet und abgenommen?

Müssen den Spendern nicht die 135.000,– DM zurückgezahlt werden? Oder handelt es sich um einen stillschweigenden Betrug, an den wir uns halt schon lange gewöhnt haben?

Das sind die Fragen, die hier aufgeworfen wurden, während mich persönlich die ökologische Verantwortungslosigkeit mehr als genug umtreibt. Denn wie soll man jemandem Lösungsmöglichkeiten um die Tragödie um den Plastikmüll im Pazifik erläutern, während hierzulande komplette Riesenorgeln ein paar Geschmacksnuancen  wegen entsorgt werden.

gwm

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Die Gustav Raßmann-Orgel in Niedertiefenbach

Vergangene Woche (KW34) wurden wir bei einer Pflege unserer Orgel in Obertiefenbach nach Niedertiefenbach gerufen, wo wir dieses schön klingende Instrument aus Gustav Raßmann, Möttau vorfanden. Wahrscheinlich ist es so, dass dieses Instrument von der Nachfolgefirma Hardt gebaut wurde, die sich verpflichtet hatte, den Namen Raßmann bis zu dessen Tod (1906) weiter zu führen.

Wenn wir also davon ausgehen, dass die hier gezeigte Orgel gegen 1906 gebaut wurde, so ist es also eine Hardt-Orgel, die ungewöhnlich genug zu dieser Zeit, mit Schleifladen gebaut wurden. Die Anlage der  Mechanik zeigt, dass der Orgelbauer ausreichend Erfahrung im Bau mechanischer Kegelladen hatte.

Der Klang dieses Instruments ist beeindruckend. Besonders das Cornett im I.Man. ist ein wunderbares Register, das eine Zunge restlos ersetzt.

I.Manual C-f“‘

  1. Bourdon 16′
  2. Principal 8
  3. Gamba 8
  4. Gedeckt 8
  5. Holzflöte 4
  6. Octave 4
  7. Quinte 2 2/3
  8. Octave 2
  9. Mixtur 2
  10. Cornett disc

II.Manual

  1. Salicional 8
  2. Liebl. Gedackt 8
  3. Flöte dolce 4
  4. Gemshorn 4

Windauslass

Pedal C-c ‚

  1. Violonbass 16′
  2. Subbass 16
  3. Octavbass 8
  4. Violoncello 8

Pedalcoppel

Weniger schön war, dass die gesamte Traktur nur auf 3-4mm Tastenreise eingestellt war, was dem Organisten kaum flüssiges Spiel erlaubte. Es könnte durchaus sein, dass diese ungewöhnliche Traktur seit mehr als 20 Jahren so eingestellt war (siehe Foto Spieltisch, wo man dies besonders gut in der Mittellage des II.Manuals erkennen kann).

Es war ein leichtes, aber unvorhergesehenes Stück Arbeit, diese Traktur auf halbwegs normales Niveau zu bringen. Hoffen wir, dass nun der Organist, der große Stücke auf die Orgel hält, doch noch seine „Läufe“ wie gewünscht ins „“Rasante“ zu steigern weiß.

Eine schöne Kirche auch, die von Ferne, wie auf einem Thron von einer Anhöhe gebieterisch ins Land hinaus blickt.

gwm

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zu Murrhardt eine Stellungnahme von Burkhart Goethe

Vor zwei Wochen erhielt ich, ganz überraschend,  eine Email vom zuständigen Sachverständigen, die ich hier ungekürzt und unkommentiert zeigen möchte. Anlass zu diesem Schreiben war wohl mein Artikel dazu.

Sehr geehrter Herr Walcker-Meyer,

bezugnehmend auf Ihren Kommentar »Murrhardt und die sieben Schwaben« in Ihrer homepage bitte ich Sie, folgende Punkte zur Kenntnis zu nehmen:

  1. Im Gegensatz zu meinem Amtsvorgänger Bornefeld habe ich während der letzten 36 Dienstjahre und bei rd. 560 Orgelberatungen niemals versucht, einer Kirchengemeinde im Falle eines Neubaues meinen Prospektentwurf zu oktroyieren, es sei denn, sie hat mich ausdrücklich darum gebeten. So auch nicht in Murrhardt, wo der Entwurf für das neue Instrument einzig und allein von Orgelbau Mühleisen stammt.
  2. Bei der Planung einer neuen Orgel für Murrhardt habe ich anfangs durchaus den Versuch unternommen, die Gemeinde zur Erhaltung des Bornefeld-Prospektes (und auch großer Teile des Klangbestandes) zu bewegen. Leider konnte ich mich nicht gegen den örtlichen Kirchenmusiker und einen mir noch heute völlig unbekannten Stifter durchsetzen. Auch meine Empfehlung, das Instrument mit Blick auf die Raumgröße auf maximal 35 Register zu beschränken, blieb ungehört. Diese Empfehlung hatte übrigens auch der mitbietende Claudius Winterhalter ausgesprochen.
  3. Anläßlich einer Gemeindeversammlung im April 2015 zeigte sich, daß ein großer Teil der Gemeindemitglieder seit Bau des Walcker/Bornefeld-Instrumentes 1976/77 sich ganz offensichtlich nie mit der Prospektgestaltung und hier vor allem den Holzpfeifen anfreunden konnte. Dies hat mich selbst überrascht.
  4. Von den 91 durch Bornefeld gestalteten Orgeln wurden 2002 für den Bereich der württ. Landeskirche nach einer flächendeckenden Bestandsaufnahme im Einvernehmen zwischen der »Heidenheimer Stiftung« und dem Evang. Oberkirchenrat 30 Instrumente zum Eintrag als Kulturdenkmal vorgeschlagen. Die Murrhardter Orgel wurde in diese Liste nicht aufgenommen, weil sie zu dieser Zeit bereits durch Kreisz ganz erheblich verändert worden war. Diese Veränderungen 1996, 2000 und 2001 fielen nicht in meine Mitverantwortung, da Murrhardt erst seit 2002 zu meinen Dienstbereichen gehört.
  5. Fatalerweise kam es beim damaligen Landesdenkmalamt BW jedoch nie zu einem Eintrag der genannten 30 Orgeln als Kulturdenkmale. Fast die Hälfte, nämlich 14 der Instrumente auf dieser Liste stehen in den von mir zu betreuenden Kirchenbezirken. Und 13 von diesem Instrumenten wurden zwischen 1985 und 2018 trotz fehlenden Denkmalschutzes und nicht selten gegen vehemente Änderungswünsche der Organisten/Innen durch rein konservative Maßnahmen (Hauptausreinigung/techn.Instandsetzung/Schimmel- und Anobienbehand-lung) instand gehalten, ohne daß irgendwelche Veränderungen an Gehäusen und Klangaussagen erfolgt wären. Die jüngste Maßnahme dieser Art erfolgte erst im April 2018 an der Walcker/Bornefeld-Orgel (op. 3172, Bj. 1953, II/12 mS) in der Evang. Matthäuskirche SHA-Hessental durch OBM Michael Mauch.
  6. Insgesamt wurden für die Erhaltung dieser 13 Orgeln (ohne lfd. jährliche Warungskosten) zwischen 1985 und 2018 umgerechnet 370.133,07 € ausgegeben. Das mag gering klingen, ist aber für die armen Hohenloher Kirchengemeinden eine Menge Geld.
  7. Bei op.3801 (Westorgel Stadtkirche Schorndorf, 1961, III/45) lag die Sache anders: Hier waren nach heftigem Herumgehüpfe während eines Pop-Konzertes die Widerlager in den Emporentreppungen so verrutscht, daß Empore und Orgel statisch stark gefährdet waren. Die Empore wurde gesperrt und Lenter sicherte das Instrument durch Absprießungen entsprechend ab. Dann wurde die Kirche komplett innenrenoviert und die Orgel –wie so oft- entgegen dem Rat des OSV unzureichend verpackt. Es gab enorme Staubschäden.

Überdies hatte die elektrische Schwachstromanlage signifikante Sicherheitsmängel und die Trakturen waren erneuerungsbedürftig. Aus diesem Grunde wurde eine technische Sanierung ausgeschrieben und Fa. Mühleisen erhielt den Zuschlag. Sowohl der Prospekt (Entwurf Architekt Heim/Stuttgart), als auch der gesamte Klangbestand blieben bis auf die Teilung von zwei gemischten Aliquotstimmen unverändert erhalten. Für die Nachintonation haben wir KMD Jürgen Schwab aus Stuttgart als einen der profundesten Kenner Bornfeldscher Klangintention beratend hinzugezogen. Die gesamte Maßnahme kostete 418.000 €. Trotz des gewünschtes Einbaues einer Setzeranlage (mit dualer Beibehaltung der freien Kombinationen) blieb die Bornefeld’schen Gestaltung auch des   Spieltisches unverändert. Die Chororgel (Link/Bornefeld) wurde ein Jahr später ebenfalls überholt und bekam neue Registerzugmagnete. Auch sie blieb klanglich völlig unverändert.

Zusammenfassend kann ich sagen, daß ich nicht zu den (sieben) Schwaben gehöre, sondern aus Norddeutschland stamme, wo ich eine fundierte, 6 ½ jährige Ausbildung als Schreiner, Orgelbauer und Pfeifenmacher erhielt. Daher zähle ich mich auch nicht zu den Künstlern, ob zweit- oder drittklassig. Und im Hinblick auf die Erhaltung des Bornefeld’schen Erbes habe ich mir nichts vorzuwerfen. In der Ablage noch ein Beispiel für Goethes »eklektizistische Prospektgestaltung«.

Mit freundlichen Grüßen

Burkhart Goethe

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Thüringen Orgelansichten

Zu einem Vortrag in Großrudestedt geladen, dort, wo sich die Walcker-Orgel Opus 1405, II/20, Bj 1907, mit pneumatischer Kegellade hinter einem Barockprospekt befindet, sind wir noch zu anderen Instrumenten aufgebrochen.

Zunächst ein paar Worte zu dem Vortrag, den ich dort gehalten habe. Die rund 100 Bilder, die ich in diesem Vortrag ausgewählt habe sind unter diesem Link aufrufbar. Dabei handelt es sich um einen frei gehaltenen Vortrag über die Geschichte der Orgel unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Firma Walcker. Sehr schön war der Umstand, dass rund 40-50 Personen anwesend waren, obwohl zu diesem Zeitpunkt England-Kroatien im TV gezeigt wurde.

Nach zwei Stunden Rezitation und einer kleinen Ausstellung von Orgelpfeifen und historischem Material, war es ein tolles Erlebnis auf die vielen Fragen des Publikums eingehen zu  können. Auch die Organistin aus Erfurt -Stotternheim war eine interessante Gesprächspartnerin, der ich nun das Versprechen geben konnte, ihre schöne und restaurierte Walcker-Orgel in unseren Webseiten zu zeigen. Das Werk wurde von der Firma Scheffler vor 10 Jahren restauriert.

Viel Glück war der Orgel beschieden, als im Jahr 2002 sich eine Turmspitze in den linken Pedalturm und Magazinbalg hineinbohrte. So gut wie kein Pfeifenmaterial wurde getroffen.

  

Ein wunderschön hergerichteter Kirchenraum empfing uns in der ebenso herrlichen Kleinstadt Weißensee. Die Kirche hat in ihren rund 1000 Jahren Bestehen viele Entwicklungen und stilitische Eigenarten durchgemacht, die aber nach der Kirchenrestaurierung wirklich optimal zur Geltung kommen.

Die Orgel ist natürlich noch nicht restauriert. Es handelt sich um ein Werk des Otto Petersilie. II/21, Bj 1902. Ein Riesenmagazinbalg von 3,30m Länge steht rechts von der Orgel. Was aber besondere Aufmerksamkeit verdient ist die pneumatische Setzerkombination mit fünf Kombinationen. Das hat es im Orgelbau nicht oft gegeben und soll daher mit einem gründlichen Foto geehrte werden:

Man sieht rechts oben die Kipptaster, die zum Setzen der Register eingesetzt werden. Unter dem I.Manual gibts dann die Drucktaster, die, wie gesagt auf pneumatischem Wege die gesetzten Register aufrufen. Und dies kann man an den Bohrungen über den Registerschildern ersehen. Hier wird, wieder pneumatisch, das Erkennungsplättchen angehoben und gibt die Sicht frei auf die eingeschalteten Register.

Tolle Sache, viel Arbeit sieht man, wenn in die Orgel reinsieht. Aber auch schöner, warmer Klang kann da assoziiert werden.

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UNESCO Orgelbau, jetzt die Kommerzialisierung und der Kitsch

So manches Trüffelschwein hat schon sehr tief in den weichen Kulturhumus seine Nase stecken müssen, um  ein klitzekleines Goldstückchen entdecken zu dürfen.

So nun auch geschehen von den geradezu Orgelbauer J&B, die zunächst eine Buchplanung auf alle deutschen Orgelbauer losgelassen haben.

Der Titel „Die Krönung des Deutschen Orgelbaus“ lässt Böses ahnen. Man rechnet mit rund 50 verwirrten Orgelbauern, die dort ihre bezahlten Anzeigen, per Stück 700,–Euro, aufgeben, und, dass somit ein nettes Beträgchen von 35.000,–Euro zusammen kommt. Die inserierenden Orgelbauer bekommen dafür 2 Exemplare. Das Zugpferd, die Anzeige der Orgelbauer „Klais“ wurde mal vorab in die Verzückungsspitze der organalen Buchhandels eingebaut und soll dem Tross der gekrönten Orgelbauhäupter als Richtlinie dienen. VOD, GDO und BDO sollten in Schamröte erstarren, dass sie sich für solch einen Lumpenhandel hergeben und sich für irgendwelche Vor- und Nachworte im J&B Werbeprospekt bereit erklärt haben.

Drei Tage nach Buchankündigung heizt J&B das Jahrmarktstreiben um die ORGEL-UNESCO-Geschichte weiter an, indem nun die „WANDKACHEL UNESCO“ in zwei Versionen auf den Markt geworfen werden (Preise für die Kacheln liegen zwischen 58,– und 126,– Euro). „Immaterielles Kulturerbe“: Wissen, Können, Weitergeben. Eine peinliche Theaterveranstaltung, wo im Hintergrund der Kulturanspruch durch Kommerzialisierung zerrieben wird und das „Immaterielle“ unmittelbar ins „Materielle“ umschlägt.

Der Titel der UNESCO lautet „Orgelbau und Orgelmusik in Deutschland als Kulturerbe„, und hier ist bereits der erste gravierende Fehler durch die Antragsteller und die UNESCO gemacht worden. Denn es hätte sein müssen „im deutschsprachigen Raum“ und nicht in Deutschland. Damit wäre die dümmliche Popularisierung auf nationale Begrifflichkeiten raus und der Blick auf Europa wäre freigehalten worden.

Aber, dass daraus von einer Orgelbaufirma nun ein Zirkustreiben mit Schildchen und schönem Eigenlob entwickelt wurde, das schadet der Sache deswegen, weil der Anspruch absolut nichts mit einzelnen Firmen zu tun hat.

Im Orgelbau ist es vergleichbar zur Literatur, Musik, Malerei, nämlich so, dass wir heute tätigen Künstler oder Kunsthandwerker Zwerge sind, die auf den Schultern von Riesen stehen, die die Grundlage dieser Kultur geschaffen haben. Das Geschrei des Marktes hat in dieser Kultur nichts verloren, am wenigsten dort, wo noch stille Religion, Anmut und Anspruch auf tiefere Dimensionen herrschen.

Also lasst sie bellen, die Hunde, die Karawane zieht weiter.

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Orgel – Mathematik – Phänomenologie

Im letzten „Ars Organi“, dem Hochglanzorgan der ausgeklungenen Orgelbewegung, fand ich einen Diskussionsbeitrag, der mich wieder auf die Wurzeln dieser scheinbaren „Bewegung“ zurück führte.
Es geht um eine Buchbesprechung „Karlheinz Schüffler – Phytagoras, der Quintenwolf und das Komma“, die vom Autor, einem Mathematikprofessor, als total daneben qualifiziert wurde.
Die Art und Weise der Argumentationen, damals in den 20er Jahren (Freiburger Orgeltagung 1926, kurios, aber nachvollziehbar, dass ein Jahr später „Sein und Zeit“ von Heidegger erschien), waren ähnlich gestrickt, wie uns das heute nach über 90 Jahren wieder serviert wird.
Zunächst einmal bin ich persönlich der Auffassung: einen Quintenwolf erklärt man nicht mit Zahlen sondern man führt ihn per Pfeifen- oder Saitenstimmung vor und lässt dann die Zuhörer entscheiden, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. So übrigens wäre mit allen zur Diskussion stehenden Stimmungen zu verfahren. Wer die Feinheiten einer Kellnerschen Bachstimmung en detail gehört hat, der braucht keine mathematischen Belehrungen. Wenn das Interesse weiter greift, wäre angebracht die praktische Realisierung durch die entsprechende Intervallstimmung zu erfahren. Tabellen, Computer, mathematische Konstruktionen wären dazu nicht erforderlich.
Der mathematische Schleier vor der Musik und dem Musikinstrument verunmöglicht uns eher in eine peinliche Abstraktion abzugleiten, die das Musizieren in ein Theoretisieren verunglimpft, das uns gerade den lebendigen Zugang zu dieser Musik verwehrt. (Nietzsche nannte diesen Zustand die innerliche Bildung für äußerliche Barbaren).
Die Mathematik, übrigens eine Wissenschaft, die keiner allgemein gültigen Definition unterliegt, die von den beiden Herren Billeter und Schüffler in ihrer Auseinandersetzung beschworen wird, erscheint mir, nach über 50 jähriger Tätigkeit im Orgelbau, als ein Monstrum, das den wirklichen, phänomenologischen Zugang zur lebendigen Orgel und ihrer Musik nicht nur blockiert, sondern verweigernd auf Geleise schickt, die dem ursprünglichen Gedanken von Musikentfaltung, sei er klassischer oder romantischer Natur, völlig entstellt. Man denke sich nur Mendelssohn oder Liszt mit einem Stapel Exceltabellen die Vektorrechnungen der Eulerschen Tongitter und ihren Temperaturvorgängen studieren.
Wenn Katheder und Computer auf den Orgelbau einwirken wollen, ohne Rücksichtnahme, dass das Maß an Technik und Wissenschaft ein begrenztes sein muss, weil lebendige Leidenschaft und Kreativität darunter verschwinden, dann wird am Ende ein Konzert in Form einer Diskussion aufgelöst, ohne, dass eine einzige Note gespielt werden muss. Das wäre in der Tat eine echte moderne Projektion, die zudem kritische Kreation hervorbringen würde.
Als Lehrling hatte ich das Glück, von einem Meister mit einer seltsamen Empfehlung in den Orgelbau eingeführt zu werden. Erst Jahre später habe ich begriffen was er damit eigentlich sagen wollte:
Wer eine Orgel verstehen will, der sollte alle Bücher zur Seite legen und sollte es sich im Untergehäuse dieser Orgel bequem machen, um dort einen Tag zu sitzen, zu staunen, zu riechen, zu tasten und ganz langsam dabei zu erfahren, was dieses „organum“ zu sagen hat. Nahe an den Dingen bleiben, auch mal rechnen und Geometrie betreiben, aber die Dinge auf sich zukommen lassen, Zeit und Geduld anstatt Technik investieren.
Wäre der Orgelbau auf dieser technischen Stufe stehen geblieben, wohl Mitte des 19.Jahrhunderts, er würde heute noch Feste der Freude und Begeisterung auslösen.
Heute jedoch, wo der Intonateur mehr in sein Smartphone als ins Pfeifenwerk klotzt, noch den Professor dazwischen blöcken zu hören, das wäre des Satyrspiels schon zuviel.

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Walcker-Positiv E, Standardrituale

Immer wieder höre ich, dass bei den rund 850 gebauten „Positiv E“ sich nach 50 bis 60 Jahren ab Geburtsdatum, klangliche und technische Veränderungen ergeben.

Durch Überarbeitung von über 20 Instrumenten dieses Typs an Erfahrungen bereichert, möchte ich hier ein paar Besonderheiten am Beispiel des Opus 3946 (ursprünglich für Bremerhaven gebaut, dann nach Mömlingen umgestellt) aufzeigen.

Hier zunächst die technischen Daten:

   

Bei diesen Orgeln aus 1960 gibt es anfangs noch keine Aluventile oder Wippen aus Aluminium. Später hat die Firma sogar Tasten aus diesem Leichtmetall gefertigt. Allerdings nicht über einen längeren Zeitraum. Ab 1969 kamen die Stahlgestell-Positive ins Programm, eine ebenfalls rasch auslaufende Entwicklung. Nun traten die E-Orgeln ihren Siegeszug an.

Hier also noch Holzwippen- und Abstrakten, aber auch berüchtigte Plastikwinkel. In den Windladen Holzventile mit harten Stahlfedern bestückt, die immer wieder zum Herausspringen geneigt waren. Deswegen wurden dort an beiden Ventilstiften Stellringen eingebaut.

Die hier gezeigten Lederpulpeten haben nie zu Störungen Anlass gegeben, weswegen wir sie nicht gegen Bleipulpeten ausgewechselt haben. Die Spielart litt durch andere Fehler, wie gewaltige Bleigewichte an den Tasten oder unnötige Masse von doppelten Lüstenklemmen, dicken Abstrakten, Messingdrähten etc..

Bleiben wir also beim Hauptproblem der Walckerschen Positive, die mit Doppelschleifen ausgestattet, eine echte Achillesferse bieten. Je nachdem, mit welchem Leder die Dichtungsringe drappiert sind, entstehen nach 30-50 Jahren Löcher in Material und Klanggestalt, die es zu beheben gilt:

Diese Federbälgchen neu zu beledern bereinigt einen wesentlichen Umstand nicht, nämlich, dass die Pertinaxschleife an Stock und Windladenboden dichtungsfrei aufliegt. Daher empfehle ich, nur einen Teil der Doppelschleife wiederzuverwenden und als Dichtungselemente Liegelindringe zu verwenden. Das erschwert etwas den Registerzug zu betätigen, beugt aber Geräuschentwicklung und fehlendem Wind im Einzelklang vor.

Es sollte dabei nicht der Fehler gemacht werden die Durchmesser der Federbälgchen 1:1 auf die Liegelindringe zu übernehmen, denn die Schleife reist dann von einer Bohrung zur anderen (das Verschließen des einen Lochs öffnet das des Nachbarn):

Es ist daher sinnvoller die ovalen Bohrungen (auch mit runden Liegelindringen) nachzuformen, wie teilweise hier ersichtlich:

Die Dammhöhe ist in unserem Fall Liegelind+Schleife+Liegelind (1,5+1,5+1,5=4,5mm). Beachtet werden muss bei der Auswahl der Liegelindringe, dass immer wieder mal Ausschussware sichtbar wird, die unter 1mm Dicke zu Blasgeräuschen Anlass gibt. Spart viel Zeit, dieses Zeug vorher auszumustern.

Die bleibestückten Auslässe belasten die Ventile und werden deswegen ausgebaut. Dafür wird ein blauer Filzstreifen übergeklebt, der an entsprechenden Stellen gelocht wird.         

Klanglich hat das Instrument natürlich durch Wegfall von unerwünschten Klang-Löchern erheblich gewonnen. Sehr schön nun ist das Zusammenspiel von Rohrflöte und Mixtur oder dem vorher „undiszipliniertem“ Schwiegel 2′. Ein wunderschöner Prinzipal 4′ mit beinahe kernstichloser Intonation, der transparent und singend ins Geschehen tritt, hellt den Raum auf ohne langfristig durch Lautstärke zu ermüden.

Ein sehr schönes Werk, das wir nächste Woche fertigstellen wollen.

Dann sieht es wieder wie zu Beginn aus, anmutig und still:

          

gwm

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