Wurlitzer-Organs in Deutschland

Spieltisch der Wurlitzer-Orgel in Berlin, Musikinstrumentenmuseum (nahe Potsdamer Platz)

Die größte Kino-Orgel auf europäischem Boden befindet sich derzeit im Musikinstrumentenmuseum in Berlin. Wir haben während unserer Arbeiten in Berlin dieses Instrument mehrfach besucht.

Diese Orgel wurde ursprünglich am 28.August 1929 in die neu erbaute Konzerthalle der Siemensvilla Berlin geliefert und eingebaut. Der musikbegeisterte Werner Ferdinand von Siemens hat diese Instrument bestellt,  nachdem er bereits an der Walcker-Orgel im Musikzimmer seiner Villa Freude gefunden hatte. Es gibt von W. F. von Siemens  ein Foto, wo er als Dirigent des Berliner Philharmonie Orchesters abgebildet ist.

In den Jahren 1981-83 wurde diese Wurlitzer-Orgel von der Firma Walcker in Murrhardt restauriert und im Musikinstrumentenmuseum aufgebaut. Dazu wurde eine umfangreiche Dokumentation erstellt, die in meinem Archiv vorliegt und bei mir beim erneuten Lesen  großes Interesse auslöste.

Wahrscheinlich gibt es kein Instrument in Europa, das eine vergleichbare komplexe und hoch komplizierte Traktur aufzuweisen hat, wie diese Wurlitzer-Orgel. Daher plane ich, diese  deutschsprachige Dokumentation, die es bis 1981 lediglich in englischer  Sprache gab, nun ergänzt mit Gedanken der Restaurateure als PDF hier zu zeigen, weil dadurch ein interessanter Zugang zum anglo-amerikanischen Orgelbau der Zeit (1910-1940) eröffnet wird.

Die Zeit der Kinoorgeln war in Deutschland sehr begrenzt und zwar von 1923 bis 1930, dann kam der Tonfilm samt Musik. Die Firmen Walcker, Furtwängler & Hammer und Sauer bauten rund 120 Oskalyd-Orgeln, Welte dürfte 150 Instrumenten und Steinmeyer etwa 30 Kinoorgeln fabriziert haben. Also gegen Wurlitzer, der mit 2240 Kinoorgeln an der Weltspitze stand, die bis 1942 produziert wurden, waren die deutschen Aktivitäten bescheidener Natur. Soweit ich mich erinnere hat Wurlitzer rund 8500 Orgeln in seiner Orgelbau-Zeit per Fließband erbaut.

In den 1970er Jahren hatte ich Gelegenheit im Raum Buffalo an einigen Kirchenorgeln von Wurlitzer zu arbeiten. Diese radikale „Rationalität“ jener Orgeln haben mich teilweise begeistert, teilweise aber auch abgestoßen. Wir waren wohnhaft in Tonawanda. Zu dieser Zeit hatte Wurlitzer in North Tonawanda, New York rund 2500 Mitarbeiter, aber die waren ins Geschäft der Musikautomaten und elektronischen Instrumenten involviert. Ab 1930 baute Wurlitzer rund 45.000 „juke boxes“ per year! Der Gründer der Company war Rudolph Wurlitzer gebürtiger Sachse aus Schilbach, der im Alter von 24 im Jahr 1853 in die USA auswanderte und ursprünglich Instrumente aus Deutschland in Amerika einführte. Im amerikanischen Orgelbau dieser Zeit war die deutsche Sprache der organole Begriffskosmos per se.

Es gibt noch eine weitere Wurlitzer-Orgel in Deutschland, im Frankfurter Museum, jedoch ist diese Orgel nicht spielbar.

Auf Youtube gibt es verschiedene Videos an der Wurlitzer in Berlin, darunter auch mit Cameron Carpenter ( nicht schlecht gespielt aber sorry about the terrible tuning)

Hier ein Einführungsvideo vom Museum:

es grüßt

gwm (wieder im Saarland)

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Walcker-Kegelwindlade in Berlin

Die Walcker-Orgel in der Siemensvilla in Berlin hat es in sich. So wurde 1916 vor Einbau der Orgel ein Heizkörper direkt unter einem Fenster unmittelbar hinter die Hauptwerkwindlade integriert, der wohl seit über 100 Jahren bei geringstem  Temperaturanlass auf Höchstmaß aufgedreht wurde.

Wir haben festgestellt, dass im Heizungskeller wohl ursprünglich Eierbriketts verheizt wurden, dann wurde Heizöl verwendet, das in 80.000 l- Tanks gut und sicher eingelagert wurde. Immer wenn es nur minimal unterkühlt war, wurde geheizt.

Zur Folge hatte dieser ganze Spaß, dass die Stöcke der Windladen in stark gekrümmte Smiley’s verwandelt wurden. Der Lacheffekt hielt sich in Grenzen. Leider sind nicht nur diese Holzteile der Windladen in Mitleidenschaft gezogen sondern nahezu alle Holzpfeifen.

Eine wahre Offenbarung hingegen erfuhren wir beim Öffnen der Kegelwindladen. Schnell wurde klar, dass hier ein Meister alter Schule tätig war, der unsere Arbeit an diesen Windladen wohl aufs Reinigen begrenzen wird.

 

gwm nach Besuch der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz und der Max-Liebermann-Villa, ein paar Häuser weiter. Letzteres ist mit Garten und weiträumiger Anlage  ein wirklich empfehlenswerter Besuch. Ein Haus eines Juden und eine Wirkungsstätte des erklärten Zerstörungswillens einer verrückten Verbrecherklicke in unmittelbarer Nachbarschaft, das ist schon konzentriertes Beisammensein von totaler Gegensätzlichkeit. Das wird lange dauern so ein Zusammensein zu sortieren.

 

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Die Walcker-Organola in Berlin-Siemensvilla

Ja, es ist schon ein seltsames Gefühl nach einem Zeitrahmen von 50-60Jahren Unspielbarkeit wieder eine solch komplexe Maschine wie diese Walcker-Organola zum Leben zu erwecken.

Verzeihen Sie mir daher das übersprudelnde Temperament beim Erläutern der verschiedenen Funktionen und Schalterchen. Vielleicht wird manchem Zuseher sogar völlig schwarz vor Augen und Verstand, was das  für eine Maschine denn ist, die da vor sich herrattert.

Die Bewegung dreier Bälge wird umgewandelt in eine Kreisbewegung, die eine papierne Rolle bewegt, und die Rolle ist mit kleinen Stanzlöchern versehen mit denen orgelbautechnischer „Wind“ durch Löcher und Rohre hoch zum Pfeifenwerk geleitet wird. Was verursacht, dass dort Pfeifen zu klingen beginnen, – so könnte man es in Worte fassen, aber schöner ist es im Gesamtbild zu erleben.

Ganz gleich wie schön oder hässlich man derartig fabrizierte Musik empfindet, um die Jahrhundertwende 19. aufs 20.JH  war das eben eine grandiose Technik, die scheinbar auch Werner von Siemens in seiner Villa in Berlin-Lichterfelde begeisterte. Und uns hat es unheimlich gefallen dort in der Orgel die alten Stromschalter, Lichter und Leitungen zu betrachten, die doch irgendwie was mit der Identität von Siemens und Correns zu tun hatten: das Gefühl endlich an den roots der deutschen Technik angekommen zu sein…

Vielleicht aber wars nur ein Irrtum…. mitten im I.Weltkrieg eine Orgel in Berlin aufzubauen und mit diesem Krieg einen Weltenbrand ausgelöst zu haben, der dieses 20. JH in zwei Hälften riss. In eine Vulkanexplosion die eine Hälfte und eine friedensreiche zweite Hälfte, die allerdings der Natur den Todesstoß versetzen sollte. Vielleicht?

es grüßt bestens,

Gerhard Walcker-Mayer

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Von Bälgchen und Membranen

Unter der Hauptwerkwindlade

wie komplex eine solch relative gemäßigte Orgel sein kann, zeigt das Beispiel das ich nachfolgend demonstriere.

Zunächst sehen wir im Bild oben die Balg-Membranleisten, welche unter dem I.Man befestigt werden.

Man erkennt unmittelbar die unterschiedlichen Größen der Bälgchen und Membranen. Stellt sich die Frage: weswegen aber die Mischung aus Membranen und Bälgchen?

Wir erkennen sehr schnell das orgeltypische Koordinatensystem (x-Achse von links nach rechts C-c4 und y-Achse die Register unten beginnend beim Prinzipal 8′, ganz oben die Cymbel 3f.)

 

Die Kegel des Prinzipal 8′ werden also mit Membranen bedient, während bei anderen Register sowohl Membranen wie Bälgchen vorkommen.

Das findet seinen Grund darin, dass verschiedene Pfeifen sowohl vom Pedal und I.Manual angespielt werden, aber auch spielt das I.Manual Pfeifen der Pedallade an z.B. beim eingeschalteten Gedeckt 16′, der die tiefen Subbaßpfeifen dafür nutzt.

Damit das nun keine ungewünschten Zwischentöne gibt, werden bei eingeschalteter Transmission im Pedal, zum Beispiel Cello 8 die Pfeifen der Viola 8 gespielt (das ist die 4.Reihe von unten) und dabei werden technisch raffinierte Maßnahmen ergriffen. Über beiden Bälgchenreihen schweben zwei Eisenstangen, die in der Regel auf den Bälgchen aufliegen und die damit keine Ventile öffnen können. Bei Einschaltung des Cello 8′ im Pedal wird die Eisenstange über die 30 Bälgchen des Pedals gehoben und Pfeifen erklingen dann, wenn entsprechende Tasten im Pedal gedrückt werden. Im ersten Manual erklingt hingegen kein Violaton, obwohl die Kanzelle dieses Registers mit Wind gefüllt ist, weil eben die Eisenstange alle Bälgchen des Manuals fixiert hält, bis das Register Viola 8′ eingeschaltet wird.

Ein sehr komplexes Verfahren, das auf exakte Regulierung und Maßhaltigkeit bei den Bälgchen angewiesen ist.

Dazu ein weiteres Foto, an dem man erkennt, dass die Bälgchen sehr genau gefertigt sein müssen.

Denn hätten wir selbst minimal Maßdifferenzen zwischen diesen Bälgchen, wäre es möglich, dass auch mit niedergedrückter Eisenstange Bewegungen durch diese Bälgchen verursacht werden können, oder im anderen Fall die Reise zum Heben der Kegel nicht ausreichen würde.

Eine ähnliche Problematik finden wir in dem weiter fortgeschrittenen Spieltisch dieser Orgel, wo wir nun nach Einbau der Bälgchen mit dem Einbau der Bleirohre begonnen haben:

gewalcker 22.05.22

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Keilbälgchen für Walcker-Spieltische

Man glaubt es kaum, wenn man diese simple Ansicht eines Walcker-Spieltisches ansieht, dass hier sage und schreibe 690 Keilbälgchen eingebaut sind. Die handtellergroßen Bälge zum Heben der Koppelgestänge sind da noch nicht mitgerechnet.

Hier ein Bild eines solchen Bälgchens

Bei diesen pneumatischen Steuerelementen sind neben dem Material zwei Dinge besonders wichtig:

a) sie müssen absolut perfekt schließen, das heißt das Leder darf nicht Widerstand leisten und der oberen Platte Widerstand entgegenbringen und

b) die Maße, Bohrungen, Breite und Länge sind exakt dem Original zu folgen. Denn schon geringe Maßtoleranzen können Probleme verursachen. Das Material sollte grundsätzlich aus gleichem bestehen, wie die original Bälgchen: Obere Platte Eiche, untere aus Fichte(Kiefer).

Das Leder sollte bestes Pneumatikleder sein (Jargon der Firma Herzog), das bessere Dichtigkeit und Widerstandskraft als Spaltleder besitzt. Das sind dann Dinge, die sich bei einer besseren Repetition bemerkbar machen

Hier nun bei unserem Spieltisch für Berlin haben wir eine solch hervorragende technische Transparenz, wie man es nicht oft antrifft. Man kann nahezu alle Bleirohrleisten problemlos von oben nach unten ausbauen und dasselbe passiert dann mit den Relais, die wir einfacherweise als Modul 1 bis 3 markiert haben.

Hier eine Zeichnung die zeigt, welch recht großer Umfang an unterschiedlichen Bälgchen und Bestückungen in diesem einfachen Spieltisch vorgenommen werden muss.

Ja, es trifft sich dann gut, dass wir unmittelbar nach Start der Arbeiten an diesem Spieltisch aus Berlin mit einem weiteren Auftrag, Restaurierung eines 3manualigen pneumatischen Spieltisches, beauftragt wurden, über den wir zu gegebener Zeit dann berichten werden.

gwm 5.März 22

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From our friend and organbuilder Vitaliy


we learn that he was also drafted into the military in Lviv (Lemberg). His wife and daughter managed to escape to Poland for the time being.
We offered him our help and hope that the resistance of free Ukraine against Russian aggression will have consequences.
Walcker was active in Ukraine several times, so an e-positive was sent to Worsel. I was in Zhitomir in 2013 on the occasion of a restoration request in the Roman-Catholic Church and made various proposals. There is also a quite passable travel report from Ukraine. Also in the Evang. church in Schitomir a Walcker organ was built under Opus 1709. At that time I had the opportunity to talk with two bishops about the political situation in the country.
With Vitaliy we were able to do beautiful restorations both in Costa Rica and San Salvador.

we are very sad about this development, but assure the whole Ukraine our deepest solidarity.

(Reisebericht von gwm: reise-nach-schitomir (1))

Gerhard Walcker-Mayer

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Komplexer pneumatischer Spieltisch

Mit dem Auftrag Berlin-Siemensvilla erhalten wir einen äußerst komplexen pneumatischen Spieltisch der nicht einfach zu behandeln ist.

Wie der  französische Philosoph Descartes in seiner Schrift „Discours de la méthode“ um 1530 feststellte, ist auch hier der richtige Weg sich selbst eine stark begrenzte Arbeitsvorgabe im Ablauf der Arbeit vorzuschreiben:

  1. Erfassung aller technischen Details möglichst in einer einzigen Zeichnung (wie oben gezeigt)
  2. Alle Probleme, die von der technischen Gestalt vorgegeben werden, in so viele Teile zu zerlegen, wie es erforderlich ist, um diese leichter lösen zu können.
  3. An den einfachsten Gegenständen beginnen, und damit ein Ordnungsschema zu konzipieren. Von hier aus stufenweise in die komplexeren Strukturen aufsteigen.
  4. Eine vollständige Aufzählung und damit Übersicht zu erstellen und sich damit ein sicheres Gerüst für die Arbeit festzulegen.

Hier der Spieltisch in der Siemensvilla in Berlin beim Abbau der Orgelteile. Wie auch auf der Zeichnung erkennbar, steht der Spieltisch unmittelbar hinter der Windlade des I.Manuals, was Regulierungen an dem Spieltisch so ziemlich unmöglich machen.

hier der Abbau der Relais vom I.Man, wo der Spieltisch stand:

Bei diesem Spieltisch nun, um beim konkreten Gegenstand zu bleiben, stelle ich fest, dass er komplett zerlegt werden muss. Dieses Vorgehen fällt bei diesem hervorragend durchdachten Spieltisch von Walcker recht einfach aus. So kann

  1. die Organola mit ein paar Schrauben komplett vom Spieltisch gelöst werden und eigenständig restauriert werden
  2. Vor irgendwelchen Ausbauarbeiten ist ein Beschriftungsschema für die wiederlösbaren Etiketten zu finden, das einhergeht mit ständiger Bilderfassung beim Ausbau.
  3. Nahezu alle Bleirohrverbindungen können durch Abschrauben der Rohrleitungen gelöst werden (das ist eigentlich nur bei Sauer und Walcker so einfach gelöst)
  4. Alle Keilbälgchen werden mit neuen Bälgchen, die mit Pneumatikleder bezogen sind, ausgetauscht. Dabei ist wichtig, und dies trifft auf alle Bälgchen und Membranen zu die auch in der Orgel ausgetauscht werden müssen, dass der Boden der Bälgchen mit Papier belegt ist und die Bälgchen innen an der Bohrung eine kleine Keilöffnung erhalten, was die Repetition verbessert.

Vor dem Zusammenbau der restaurierten Teile sind alle eigenständigen Relais, wie Melodiekoppel, Basskoppel, die Normal und Sub+Superkoppeln mit einem statischen Winddruck durchgetestet werden. Wir haben hier im Magazinbalg 80mmWS. Die Pneumatik hat also mit recht niedrigem Druck gearbeitet.

Auch das gesamte Pfeifenwerk, das wir bisher überprüft haben, ist sehr zurückhaltend intoniert.

Hier noch zwei Bilder der Organola, eins davon im ausgebauten Zustand:

gwm 13.Feb 21

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Die Walcker-Organola Patentschriften aus 1904

So umstritten die „Organola Selbstspielapparate“ ab den 1920er Jahren auch waren, heute rückblickend kann man diese Wunder einer höchst sonderbaren Technik nur noch bestaunen. Und wenn es wie in unserem Auftrag der Fall ist, man Gelegenheit bekommt, solche Maschinen restaurieren zu dürfen, dann wird erstmal alles an Literatur herangezogen was nur geht.
So wurden alle Mittel und Wege ausgeschöpft, um einen detaillierten technischen Einblick zu bekommen. Da waren die beiden Patentschriften, die Walcker 1904 beim „Kaiserlichen Patentamt“ einreichte, eine große Hilfe. Es wurden, wie bei allen Patenten üblich, zwei Zeichnungen mitgeliefert, die mehr oder weniger alles erklären, was sich bisher als Rätsel offenbarte.


Wir haben in unserem Archiv rund 30 Rollen für die Selbstspielanlage und die wollen wir natürlich nach der Restaurierung auch ausprobieren.
Hier kann man die Organola-Patentschriften als PDF-Dokument herunterladen.

Schöne Adventszeit wünscht

gerhard@walcker.com

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Vier romantische Walcker-Orgeln in Ostdeutschland

Vier wunderschöne spätromantische Walcker-Orgeln hat uns Christian Schmidt, Bad Düben, in den letzten Tagen zugestellt. Danke! Hier wird eine wirklich großartige Atmosphäre in sächsischen Kirchen geoffenbart. Ein tiefes Eintauchen in die Zeit vor den Weltkriegen weht aus diesen Bildern herüber. Hoffen wir, dass diese herrlichen Kirchen nicht mit Westmethoden aufgehübscht und kommerzialisiert werden.

Der Klang dieser Orgeln muss ungewöhnlich schön sein, wenn die Substanz all dieser Orgeln einmal musikalisch ansprechend dargestellt werden kann.
Das war der Grund die vier Instrumente noch dieses Wochenende in unsere Opusliste zu integrieren.
Hier die Links dazu:

Opus 1617 Göschnitz

Opus 1766 Ebersdorf

Opus 1875 Titschendorf

Opus 1563 Lodersleben

Mein Herz schlägt für den Osten, seitdem ich von diesen (und anderen) schönen Orgeln dort gefangen genommen worden bin.

gwm

 

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Über pneumatische Relais im Orgelbau

gibt es nicht sehr viel Literatur. (Ellerhorst ist ganz gut) Hin und wieder erhalten wir Anfragen die besonders auf schwierige Konstruktionen oder fehlerhafte Behandlungen rückschließen lassen.

 

Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Steuerungen:

  1. das Relais mit positivem Ausgang
  2. das Abschalt-Relais

Hier die Ansicht eines solchen Relais wie 1)           und hier die Schnittskizze dazu

 

Wir sehen, wenn vom Registerschalter oder von der Walze ein Impuls kommt, geht das Ventil auf und der Abgang zum Register in der Orgel wird freigeschaltet.

Bei unserem pneumatischen dreimanualigen Spieltisch haben wir für alle Register ein solches Relais wie unter 1) beschrieben. Es kommt ein pneumatischer Impuls in Form von Winddruck auf eine Membrane, die ein Ventil daraufhin öffnet und damit am Ausgang ein Bleirohr mit Wind füllt, das wiederum auf ein Relais trifft, das mit diesem Winddruck geöffnet wird. Hier kommt oft die Frage auf, warum man denn nicht gleich den ersten Impuls an das zu öffnende Ventil in die Orgel führt.

Die Antwort ist, dass der Winddruck der von den Registertasten über die Kegelventile zum Ausgang am Spieltisch führen würde nicht ausreicht, nach 20-30m Bleirohrlänge diese pneumatischen Ventile noch zu öffnen. Denn im Bereich  der Registertasten liegen versteckt und windraubend verschiedene Rückschlagventile der Festen Kombinationen. Daher hat sich der Erbauer zu dieser Maßnahme entschlossen.

Bei Walcker-Spieltischen (wird weiter unten gezeigt) wären solche Konstruktionen unnötig, da diese Rückschlagventile (Aluminiumplättchen) kaum Wind durchlassen und die gesamte Registerpneumatik wesentlich solider und exakter verarbeitet ist, als die Pneumatik des Erbauers unseres besprochenen Spieltisches.

Bei der Schnittzeichnung finden wir noch ein Rückschlagventil, das verhindern soll, dass z.B. vom Register die Walze eingeschaltet werden soll.

Das Abschaltrelais nach 2) gibt Ausstromeffekte frei, wie sie bei unserer Membranenkoppel erforderlich werden.

Im Ruhezustand ist der Wind ständig eingeschaltet (links), im Aktivmodus hingegen wird Wind abgestellt (rechts).

Ein weiteres ist die Koppelkonstruktion über sogenannte „Membrankoppeln“. Ich zeige hier eine Zeichnung eines solchen Wechselwindrelais und möchte das noch kurz erläutern:

Ist die Koppel ausgeschaltet befindet sich in der Koppelkanzelle Wind (hier haben wir drei hellblau  markierte Kanzellen für die Koppeln Sup I, Sup I/P und I/P). In dem Moment, wo die Koppel eingeschaltet wird, wird der Wind abgestellt und die Membrankoppel kann Wind von der Tontraktur durchlassen. Drücktnman im I.Man den Ton C wird die Membrane gehoben und leitet den Druck weiter zum Ton c des I.Man.

Soweit so gut, das Ganze hat nur einen kleinen Nachteil, dass nämlich das Abschalten des Winddurchlasses bei den Membrankoppeln nicht 100% bei allen Tönen unterbricht, etwas Wind, 10-30mmWS, je nach Winddruck der herangeführten Kondukte, wird man dennoch messen können.

In der Regel macht das nichts aus, weil dieser Druck nicht ausreicht ein Ventil hochzudrücken, aber es hat Nachteile in der Repetition und z.B. bei der Melodiekoppel oder anderen Festen Kombinationen, die mit den Tastenwinddrücken vom I.-III.Manual arbeiten.  Auch hier hat Walcker eine robustere Konstruktion, die dann, wenn mit Koppelbälgchen anstatt mit Membranen gearbeitet wurde, noch viel mehr Sicherheit bietet.

Hier also das Koppelsystem bei Walcker:

 

Und hier noch eine ganze besondere Relaisschaltung, die mir mindestens ein Wochenende erhebliche Nachdenklichkeiten verschafft hat:

Zunächst einmal sei gesagt, dass hier ein erheblicher Teil der Bleirohre durch die Lieferung herausgefallen waren und schon allein dieser Umstand mehr als genug Probleme mit sich brachte. Dann aber war es nicht möglich irgendeine Person aufzufinden, die erklären konnte, wie denn die Melodiekoppel und das Autom. Pedal eingestellt waren. Mal abgesehen von dem Umstand, dass man hier kein frei einstellbares Autom. Pedal erwarten konnte, sondern dass einfach beim II. und beim III.Manual die Registrierung im Pedal reduziert wird.

So ging es also am Ende nur darum herauszufinden, welche Register durch das II. und III.Manual abgeschaltet werden, wenn dieses Autom. Pedal in Funktion ist.

Und hier die Lösung: wenn im I.Man. eine Taste bewegt wird, werden die beiden Möglichkeiten der Ventile 7/8 und 9/10 abgeschaltet. Durch eine raffinierte pneumatische Aktion konnte dieses Ventil das mit 26/27 betätigt werden kann beide genannten Manuale ausschalten.

Also daraus konnte ich schließen, dass die beiden Bleirohre in blau zu Relais Q und O eindeutig zugeordnet werden konnten. Das III.Manual (egal welche Taste gedrückt ist) schaltet über die beiden Ventile links die Tastenimpulse vom I. und II.Manual ab, während das II.Manual Tastenimpulse vom  I.Man. ausschaltet.

Sehr interessant gelöst, mit einer pneumatischen Selbsthalteschaltung, die durch Auslöser wieder gelöst werden konnte.

 

gwm

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