Karg-Elert’s Oberndorf im Zweifel

Vielleicht war es Schicksal. Von Glück gesegnet aber war es, dass der Komponist Sigfrid Karg-Elert sein schwäbisches Oberndorf schon im Alter von 5 Jahren gegen Leipzig tauschen durfte. In Sachen Orgelkultur scheint der Ort überfordert zu sein. Denn die Diskussionen in der dortigen Evangelischen Stadtkirche haben nun  ein Niveau erreicht, dass selbst die Sieben Schwaben in Erstaunen versetzt haben würde.

Der Schwarzwälder Bote wartet auf mit einem Artikel „Wie darf eine Kirchenorgel klingen?“ indem er zunächst einmal einen Hersteller von digitalen Kirchenorgeln zitiert. Von Weltanschauungen wird dunkel gemunkelt, von „ideel wie finanziell“ !? Und man kann sich die stupide Diskussion innerhalb des „Förderkreises Evangelische Stadtkirche“ um das Thema „Orgel“ nur allzu bildlich vorstellen. Von „viel Kultur und Kulturerbe“ war die Rede und sogar von „Verantwortung gegenüber späteren Generationen“ aber auch von „Geld“. Am Ende aber, stellt sich heraus, dass dies der eigentliche Themenstrang war, denn davon scheinen die Schwaben etwas zu verstehen.

Wir haben es hier mit einer mustergültige Veranstaltung zu tun, wo Männer und Frauen etwas entscheiden, das in ihrem Leben gar keine Rolle mehr spielt, nämlich die Musik. Deswegen wird solches Thema gerne an sogenannte „Sachverständige“ delegiert, und ohne, dass man es je weiter hinterfragt, werden entweder von dieser oder anderen Seiten völlig unkünstlerische Menschen, Technokraten, aufs Thema losgelassen, die so blutleer sind, wie die daraus folgenden Instrumente. Hier in Oberndorf haben sie vielleicht nochmal Glück gehabt, indem man sich den Orgelbauer Braun hergeholt hat, der dann ganz vorsichtig „300.000,–“ flüsternd nannte, womit die Herrschaften endlich etwas zu beißen bekommen haben.

Die Unterscheidung zwischen einer Orgel und einem Technoprodukt wie ein digitales Instrument wird nie über eine Diskussion geklärt werden. Sondern es ist eher vergleichbar zwischen einem guten Mittagessen und einem synthetischen Klumpen Fleisch. Wer nur isst, um seinen Körper ruhig zu stellen, der wird die ganze Freude und Lebendigkeit eines herrlichen Gerichts nicht leicht erfahren. Wer Musik nicht als geistige Beanspruchung wahrnehmen kann, ist halt ein trauriger Wicht, dem nicht geholfen werden kann. Da kann die Finanzmathematik nicht viel ausrichten.

Wer aber die Disposition der ehemaligen Walcker-Orgel in Oberndorf  (Opus 1876, Bj 1916) sich durchs Gemüt zieht, tatsächlich dann die einzelnen Register so eins nach dem andern still im Oberstüble erklingen lässt, ja der ist gewaltig betrübt, über das was man da im Schwäbischen für seltsame Wortgefechte über „Orgel und Digitales“ hören muss.

 

Link zum Werkbuchauszug Disposition Oberndorf PDF

 

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Reise nach Beirut

Heute haben wir unsere Flugreise nach Beirut gebucht. Hinflug über Athen endet am 11.Aug. um 01:50 in BEY. Rückflug findet statt am 16.Aug. Dazwischen das Abladen unseres Containers aus Schottland. (siehe Tombae) Der Aufbau der Orgel wird dann ab Mitte September stattfinden, wenn die Temperaturen unter 40 Celsius gefallen sind. Vom Auswärtigen Amt hören wir folgende Warnungen:

Reisenden im Libanon wird zu besonderer Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit geraten.
  Es wird gewarnt vor Reisen
  – in die Bezirke Tripoli, Akkar und Minieh-Dinnieh im Norden des Libanon 
  – in die Bekaa-Ebene nördlich von Baalbek.
 In der Nähe der syrischen Grenze, derzeit vor allem in der Gegend um Arsal, besteht für Ausländer erhöhte Entführungsgefahr.

Das ist durchaus nicht beruhigend, aber wir haben auch Kairo während der Revolution überlebt. Es ist nur schade, dass manche interessante historische Gebäude, wie die Tempelanlagen in Baalbek, gebaut ca. 350 v.Chr., derzeit für Besuche zu gefährlich sind.

Wir haben bereits Presseunterstützung zugesagt bekommen von Dr. Gehlen, der für den Tagesspiegel, die Stuttgarter Zeitung und weiteren 10 Zeitungen Artikel über die Orgelmaßnahme in Kairo  geschrieben hat. Er will aus Tunis dazu stoßen.

Vielleicht kann ich auch die SZ ermuntern mal einen kleinen Kulturbeitrag zu diesem interessanten Orgelprojekt zu schreiben. Mal sehen.

gwm

 

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neue Bildgalerien auf www.walcker.com

Liebe Orgelfreunde,

wir haben auf http://gewalcker.de/smart.walcker.com/index.html neue Bildgalerien für Tablets und Smartphones eingerichtet.

Es handelt sich dabei um Bilder aus Arbeiten an den Orgeln und deren Umgebung in

Weiterhin geplant sind Moyeuvre, San José, Quito, Bogota, Canberra, Lagos uvm.

Unter anderem möchte ich auch an dieser Stelle unsere alten Blogs wieder zum Vorschein bringen.

Ich freue mich auf Ihr Interesse,

gwm

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new in walcker.com

hi there,

unsere Blogs von walckerorgel.de der letzten 10-14 Jahre wurden leider gelöscht. Ich werde diese Blogs entweder hier oder auf unserer website www.walcker.com in Form von sortierten Themen wieder zugängig machen.

Auch durch die Löschung unserer alten Seite www.walckerorgel.de und gewalcker.de  haben sich fehlerhafte Links und andere Ungereimtheiten auf unseren Blogs und Seiten eingeschlichen, die aber weitgehend repariert sind.

walcker.com ist ab heute ohne fehlerhafte Links.

gwm

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Casson-Orgeln und ihre typischen Eigenschaften

Wie viele „Positive Organs“ der Orgelbauer Thomas Casson(1842-1910 insgesamt gebaut hat, weiß kein Mensch.

Heute finden sich diese Instrumente noch in reichhaltigen Zahlen in allerlei Kirchen auf der Insel.

Es handelt sich dabei um Schleifladenorgeln, die am Ende mit einer Pneumatik aufgepeppt wurden, um Melodie- und Basskoppeln zu realisieren.

Schaltet man den Double Bass 16′ ein zu anderen Registern, erklingt immer der tiefste Ton des Double Bass innerhalb des Akkordes, während die anderen Register unberührt den gespielten Akkord wiedergeben. Beim Melodie Diapason hingegen erklingt der höchste Ton.

 

Damit wurde im ersten Fall ein virtuelles Pedal und mit der „Melodie“ ein zweites Manual ersetzt. Nachteil dieser Konstruktion sind die unter der Windlade begrabene Register-und Spielmechaniken. Diese Orgeln werden oft an die Wand gesetzt und damit wird eine Wartung der Pneumatik oft ganz unmöglich gemacht.

Man trifft diese Orgeln heutzutage meist an, indem man fehlende Noten bemerkt. Die Mechanik hingegen scheint recht stabil zu sein. Ein interessantes, ökonomisches System, das wenig Platz weg nimmt und irgendwie logisch in diese kleinen Kirchen der Schotten und Engländer passen.

 

                    

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Die Riesenorgel von Breslau

So lautete der Titel einer Schrift, die Paul Walcker sen. verfasst hatte, und mit der er vielleicht seinem Neffen Oscar Walcker nach Ludwigsburg “winken” wollte, hier in Breslau haben wir die GRÖSSTE ORGEL EUROPAS, respektive Deutschlands, und nicht, wie einige Jahre zuvor gedacht in Hamburgs Michaeliskirche.

Die Orgel in der Jahrhunderthalle in Breslau wurde als Opus 1160 im Jahre 1913 von der Firma Sauer, Frankfurt/Oder gebaut, mit 187 Register, verteilt auf Haupt(I.-III.M.und P.)- und Gegenorgel(V.Manual). Ein weiteres Werk sollte mit 13 Hochdruckregister (auf dem IV.Manual) kräftig Dampf machen.

Was für Sauer eine enorme Herausforderung war, es war nämlich seine erste elektrisch gesteuerte Orgel, während Walcker doch schon ein gehöriges Maß an Erfahrungen mit dieser Technik sammeln konnte.

Dieser Herausforderung konnte Sauer dadurch begegnen, da der Sohn Paul Walckers, Paul Walcker jun., Regierungsbaumeister und Dipl. Ing der Elektrotechnik war. Jener Paul Walcker jun. hat dann auch die Schrift ” Die direkte, elektrische, funkenfreie Orgeltraktur” verfasst, die vieler Ort zur Auffassung veranlasste, zu glauben, es handle sich um das Novum einer direkten elektrischen Traktur.

Das ist ein Irrtum, wir haben es hier genau genommen mit einer elektropneumatischen Taschenlade zu tun, die allerdings alles, was es bisher in Europa an elektrischen Orgelverkabelungen gab, in den Schatten stellte. Tatsächlich aber hat Paul Walcker hier erstmals bei Orgelmagneten Funkenlöscher eingeführt, was Kontaktabbrand reduzierte. Wie man auf dem 2. Spieltischbild sieht, sind sogar noch pneumatische Bälge im Spieltisch, welche die Kontaktrechen bewegen also muss in den Spieltisch, wie in in der Heidelberger Stadthallenorgel von Voit, noch Wind eingebracht werden.

So wurden im Spieltisch und Koppelschrank 3.351 Platinspitzkontakte, 2.528 Silberdrahtkontakte verwendet. Der gesamte Verdrahtungsaufwand lag bei 25.000 Lötstellen. Und da die Lichtmaschinen noch nicht in der Lage waren für den Riesen genug schwankungsfreien Gleichstrom zu liefern, waren noch gewaltige Akkumulatoren-Batterien zwischengeschaltet, die man nach 8 Stunden Orgelbetrieb aufladen musste. Nach meinen Informationen wurde bereits ein Jahr später das gesamte Kontaktmaterial mit Akkus ausgewechselt.

Die Orgel wurde von Karl Straube vom 20.-24. Sept. 1913 eingeweiht. Begonnen mit Mahlers Sinfonie Nr. 8, wo eine Orgel benötigt wird beendigt mit Liszt, Franck und Max Reger’s für diese Orgel geschaffene Auftragskomposition: Introduktion, Passacaglia und Fuge e-Moll, op. 127.

Paul Walcker sen. erhielt von seiner Majestät Kaiser Wilhelm für diese Leistung den Roten Adler-Orden IV.Klasse verliehen. Rund zehn Jahre vorher bekam Paul für die Berliner-Dom-Orgel den Kronenorden ebenfalls vom Kaiser. Und von der Majestät der Kaiserin gar eine prachtvolle Vase aus der Königlichen Porzellanmanufaktur.

Die Orgel wurde auf einer Fläche von 260qm aufgebaut, Breite 22m, Höhe 15m, Tiefe 15m, und wog 51 Tonnen. Sie wurde mit 11 Eisenbahn- Waggons transportiert. Der Wind wurde von einem 12PS-Motor betrieben, dessen Ventilator 160 cbm Wind erzeugte (also meine Faustformel 1 Reg= 1 cbm, weil das Gegenwerk einen weiteren Motor hatte, eine Rechnung also, womit man bei den heutigen Ventilatoren etwas Sicherheit hat, wenn Sub- und Superkoppeln und vor allem weite Register versorgt werden müssen). Dieser Ventilator brachte 350mm WS Druck.

Die Orgel wurde von Straube außerordentlich gelobt.

Hier das Bildmaterial:

Disposition 2 Blätter

Spieltisch:

Orgelschnitte:

Pfeifenwerk und Windladen schlummern heute noch in mehreren Kirchen Breslau’s.

gwm

ergänzender Link (besonders interessant zur Elektrotechnik)

“Zeitschrift für Instrumentenbau” Jg 1913

Quellen:

Paul Walcker “Die direkte, elektrische, funkenfrei Orgeltraktur” erschienen 1914 FfO

Hans Joachim Falkenberg ” Die Orgelwerkstatt Wilhelm Sauer”1998, Kleinblittersdorf

Einzelblatt der Firma Sauer “Breslau, Jahrhunderthalle” 1914

Orgelprospekt der Firma Sauer, Oscar Walcker, 1930

Verzeichnis Erbauter Werke von Wilhelm Sauer 1913

Paul Walcker sen. “Die Riesenorgel von Breslau”

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Bukarest Einfaltenbaelge (4)

Auf Ergänzungen liegt heute unser Schwerpunkt.

Es waren einige Rückfragen aufgetaucht, die wir hiermit beantworten wollen.

DAS VERFLACHEN der LEDERSTREIFEN 

wollte ein Interessent wissen, warum wir diese Sache angesprochen haben, aber nicht weiter darauf hingewiesen haben.

Innerhalb des Balges und auch Außen wo papiert wird, ist es vorteilhaft abgeschräft Lederstreifen zu verwenden, weil diese “aerodynamisch” geformten Lederstreifen dem Wind weniger Widerstand bieten, und bei Papieren, zwischen Papier und Holz keinen hohlen Luftraum hinterlassen, der zu Rissen führen kann. Meiner Meinung nach kann man diese Lederstreifen nur mit einer mechanischen Maschine derartig behandeln oder bei geleimten Lederstreifen nach der hier auf dem Foto gezeigten Methode verfahren, die sehr umfangreiche Arbeitszeit einfordert. Wir haben alle Bälge so behandelt und brauchen rund 1/2 Tag mehr Zeit für die Anfertigung pro Balg. Für die Restaurierung eines solchen Balges ergibt sich also damit etwa eine Woche Arbeitszeit pro Mann.

Hier das dazugehörige Bild:

 

Wenn man nun nachdem man alle Lederteile im Innern des Balges über das Leder mit gutem, dünnen Papier das Leder überklebt, dann sollte diese “Aerodynamik” dafür sorgen, dass der Wind kein Lederstreifen mehr abreissen kann, was bei vorsichtigen Leimungen schnell passieren kann.

Ein Balg sieht ohne die Papierung so aus:

Bei den Zwickeln sind die beiden Ecken in den Falten der größten Last ausgesetzt. Außerdem ist diese Stelle am schwierigsten zu verleimen, weil eben die Spannung beim Auftragen des Zwickels nach oben und unten zieht. Wir haben festgestellt, dass Walcker hier immer noch zusätzliche Lederstreifen eingebracht hat, was wir unbedingt empfehlen.

Wie denn der Balg den Wind überhaupt reguliere? …..wurden wir gefragt. Weil natürlich bisher auf diesen einfachen, und scheinbar sonnenklaren Umstand nie hingewiesen wurde. Alle diese Bälge sind mit sogenannten “Galgenventilen” ausgestattet, die am Ende mit einem Gurt an der oberen Balgplatte verbunden sind. Bei gesenkter Balgplatte ist dieses Ventil ganz geöffnet, bei hochgedrückter Platte ist das Ventil geschlossen. Wir haben hier ein Foto aus der Perspektive des ausströmenden Windes geschossen und werden bei nächster Gelegenheit eine kleine Zeichnung in weiterer Ergänzung einfliessen lassen. Außerdem wollen wir natürlich auch unsere Erfahrungen in den nächsten Tagen mitteilen, wie die ersten Bälge unter Wind reagieren.

Bild des “Galgenventils” im Balginneren

gwm

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Bukarest Einfaltenbaelge (3)

Zum weiteren Verständnis ist erforderlich die beiden vorhergegangenen Workshops anzusehen, die sich auf dieser Seite befinden. Oder einfach unter der Kategorie Bukarest Op.2654 rechts anclicken, geht am schnellsten.

Hier in diesem abschliessenden Teil wollen wir folgende Teile zeigen:

– die Materialien

– Fertigung und Einbau der Darmsaiten

– Zusammenbau der Falten und Einbau

– Abschluss

DIE MATERIALIEN

Beim Papieren haben wir schon darauf hingewiesen, dass zeittypische Materialien bei einer Restaurierung eine grundsätzliche Voraussetzung für eine zielgerichtete Arbeit sind. Hier kommt nun in neuerer Zeit hinzu, dass auch der ökologische Aspekt eine Rolle spielt. Und so dürfte es klar sein, dass man nur mit den verträglichen Mitteln der “alten Zeit” an alten Orgeln hantiert.

Es stellt sich die Frage bei der Verleimung, “Knochenleim” oder “Hautleim”? Beide Leime werden bei einer Temperatur zwischen 65 und 72 Grad Celsius verarbeitet. Diese Temperatur von 72 Grad sollte nie überschritten werden, weil dann die Klebekraft erheblich nachlässt. Knochenleim verwenden wir bei Holzverleimungen, während beim Verleimen von Leder Hautleim verwendet wird. Ich denke, dass dieses natürliche Adäquat seine Richtigkeit hat. Eine wahrscheinlich viel größere Rolle spielt die Konsistenz der Leime. Also wie stark wir Wasser beigegeben, wie zäh darf das Wasser-Klebegemisch sein?

Wir haben für Bukarest 10kg Haut- und 10kg Knochenleim herbeigeschafft und denken, dass dies gerade ausreicht.Verarbeitung von Warmleim (Glutinleimen)

links sieht man also solch einen Leimkocher, beim dem man die Temperatur genau einstellen kann. Auf dem rechten Bild sind die beiden Leimarten, zuerst Knochenleim, dann Hautleim abgebildet.

Nachfolgend auf dem ersten Foto links die “Antique-Nägel, mit denen die Darmsaiten verspannt werden und links eine Darmsaite, die wie auf dem rechten Foto ersichtlich, in kleine “Krampen” geschnitten wird, die man mit Rundzange nicht zu stark biegt. Die Antique-Nägel wurden vom Portier einer großen süddeutschen Orgelteile-Lieferfirma gefertigt, damit der Mann nicht an Langeweile abkippt – eine sehr fürsorgliche Haltung, die wir zu honorieren wissen.

EINBAU der DARMSAITEN

Die alten Flexen zu entfernen, scheint mir wohl der einfachste Weg, mit einem Lötkolben in die vorigen Gänge einzubrennen, weil jeder Bohrer sofort verläuft. Während die heiße Lötspitze (Bild 1) den geringsten Widerstand sucht, das ist in der Regel die alte Bohrung. Danach bohrt man mit einem kleinen Fräser (3mm) auf und indem man für den Keil noch etwas Platz fräst, sieht dann bei eingsteckter Darmsaite das Ganze aus wie (Bild 2). In (Bild 3) sieht man dann, wie diese Saite mit Keilen verspannt wurde.

Die Holzfalten müssen bevor die Darmsaiten eingesetzt werden, alle miteinander über den Knarrriemen verbunden werden (siehe Zeichnung aus Workshop 1) Hierzu müssen die Öffnungen für die Darmsaiten ins Leder eingebracht werden. Also pro paar Holzfalten sind 3 Knarrriemen anzuleimen (Mitte, oben und unten). Und wenn alle vier Paar Falten fertig sind, dann kann auf den unteren Zargen-Rahmen jedes einzelne paar Falten mit Darmsaiten und Knarrriemen befestigt werden. Abschliessend wird dann der Deckelrahmen genauso montiert und der Balg ist konstruktiv fertig.

Hier die Innenansicht des Balges, auf der man die beiden neu eingesetzten Zwickel erkennen kann. Rechts ein Zwickel der mit zwei Scharnieren-Leder an die Falten angebunden ist, rechts ohne, hier wird es noch gemacht.

Es folgt noch das Abledern aller kritischen Stellen am und im Balg mit dünnen Lederstreifen. Dann folgt noch das Papieren des gesamten Balges, und schön wäre gleich eine Funktionsprobe machen zu können. Das gleichmässige Blau des Papieres stellt sich nach 6-8 Stunden ein.

Wir haben es hier also mit dem kleinsten Balg, dem Motorbalg zu tun gehabt, der bekanntlich als erster gebraucht wird. Nun haben wir noch 4 recht große Bälge für Hauptwerk, Schwellwerk, Brustwerk und Pedal vor uns. Und es ist sicher, wenn wir alle diese Bälge durchhaben, wird noch ein kleiner “workshop” drangehängt, der alle weiteren Erfahrungen aus dieser Arbeit widergibt.

 

(gwm) 26.Aug.2007 – der erste Sonntag unter 36 Grad Celsius in Bucuresti

 

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Bukarest Einfaltenbaelge (2)

 

DAS PAPIEREN

Bei unserem ersten WORKSHOP haben wir ganz allgemeine Dinge eingebracht und dabei einige “Röntgenfotos” für Orgelbauer gezeigt. Denn der kann mit technischen Zeichnungen in der Regel mehr anfangen als mit Fotos oder schönen Erklärungen.

Eigentlich wollten wir nun mit der Fertigung der Bälge weitermachen, aber uns fehlen noch die “Antik-Nägel”, wie die Holzkeile zum Verspannen der Darmsaiten heißen. Daher wurde weitergemacht mit dem PAPIEREN der Windanlage.

Wer die technische Zeichnung aus Bukarest studiert hat, wird dort gesehen haben, dass die gesamte Windanlage in einer Höhe auf einem langen Kanal ruht. Dieser Kanal beginnt mit dem größten Körper am Motor und verjüngt sich dann mit im Querschnitt abnehmenden Kanälen zum Pedal hin.

Das Papieren solcher Kanäle und Bälge scheint von Aristide Cavaillé-Coll eingeführt worden zu sein. Eberhard Friedrich Walcker hat sich diesen Umstand 1857 in seinem Kalender notiert. Ab etwa 1860 ist es bei Walcker regelmässig gemacht worden.

Der Vorteil des Papierens ist, dass kleine Undichtigkeiten des Windes durch das Papier abgedichtet wird. Walcker hat in der Regel “billiges Papier” innen verwendet, was aus veralteten Archivunterlagen (Forstämter u.a. Einrichtungen und teils auch aus eigenem Archiv) stammt und das reichhaltige Literatur bietet. Das äußere Papier ist gutes Blaupapier, das ganz akurat aufgetragen wurde. Und zwar immer mit Kleister aufgeklebt und nie mit irgendwelchen Kunstklebern- oder Leimen, wie man es bei schlechten Reparaturen leider findet. Auch die Anreicherung mit Leimwasser muß unbedingt als nicht reversible Maßnahme gerügt werden.

Denn die Vorteile des Tapetenkleisters sind

a) völlig problemloses Wiederablösen der Papiere und

b) Einfaches Auftragen der Papiere mit Korrekturmöglichkeit und

c) ökologische Handhabung, es ist ja auch ein Naturprodukt (aus Weizenstärke) und man kann danach seine Hände waschen und ist kunst-chemisch nicht touchiert.

Hier nun der Ablauf beim Papieren:

1. Altes Papier entfernen – mit viel Wasser, einweichen lassen, nach etwa 12 Min. vorsichtig abziehen. In der Regel kann man ganze Bahnen herunterziehen. In diesem fotografierten Falle wurden Kunstleime und mehrere Schichten aufeinandergeleimt, was Probleme beim Abziehen macht

2. Zuschneiden Papier – Man nehme zwei Aluschienen ganz flach, klebe auf die Unterseite 80er Schleifpapier und schneide die Papierstreifen von der Rolle mit einem Rundmesser wie hier abgebildet. Als Unterlage eigent sich hervorragend (wahrscheinlich der einzige brauchbare Fall wo sich das gut eignet) eine Spanplatte.

3. Papier kleistern – im Gegensatz zum Tapezieren muß das Papier auf einer Seite befeuchtet werden, weil sonst später Trockenringel sich bilden können. Dann auf die andere Seite den Kleister gut auftragen.

4. Papier auf das Werkstück aufbringen – mit den Möglichkeiten es gut zu plazieren.

5. Kleinere Klebekorrekturen beim Trocknen und hier sind fast alle großen Kanäle bereits versammelt

 

gwm

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Bukarest Einfaltenbaelge (1)

Diese Blogs stammen aus 2007 und werden aus aktuellem Anlass und weitreichendem Interesse erneut hier aufgelegt.

Ab einem gewissen Datum gab es bei der Firma Walcker nur noch Einfalten-Magazin-Bälge. Zudem wurde die Windanlage dadurch elementar vereinfacht indem man die Ziehharmonika-Anschlüsse gegen starre Windkanäle ersetzte, die seitlich in die Windlade geführt wurden. Auch hier führt der Registerkanal auf der Windlade konisch zum Ende. Wer Oscar Walcker’s Sparsamkeit kennt, die aus allen Details der Zeichnungen und Orgelgestaltungen spricht, weiß und sieht, dass hier ein Kenner wesentlichste Dinge des Windes intuitiv geahnt hat. Denn konisch zulaufende Kanäle sind erheblich teurer als ein gradliniger Kubus. Dazu kommt, dass sich all diese Verfeinerung im Windbereich kaum berechnen lassen. Die Faktoren Windgeschwindigkeit und Windmenge sind für den Orgelbauer “unmessbare” Größen. Gerade mal den Winddruck kann er mit Wasser oder digital fassen.

Wenn, wie im Falle Bukarest, die gesamte Balganlage auf einem großen Kanal ruht, der zudem noch sich zum letzten Balg hin sich verjüngt, so handelt es sich um eine durchaus logische und gut gegliederte Anlage die seine Vorteile hat. Alle Bälge der 3 Manuale haben 95mmWS, das Pedal nur 90mmWS. Der größte Balg ist der des HW, von dem wir erwarten, dass er auch bei zusätzlich gebauter SUB I, einen Versuch den ich einfach ausprobieren muss, sein Durchhaltevermögen offenbart.

Schnitt durch die Orgel in Bukarest mit markierten Bälgen

 

 

Die hier besprochenen Einfalten-Magazinbälge sind einfacher als Doppelfalten-Bälge zu fertigen und auch einfacher zu restaurieren. Dennoch gibt es ein paar wichtig Dinge anzumerken, die falsch ausgeführt, zu einem schnellen Ableben des Balges führen kann. Dann nämlich, wenn zum Beispiel die “Flechsen” oder “Darmsaiten”, also die organischen Scharniere der Holzfalten nicht sauber durch Keile verspannt wurden. Dann kann noch so schön beledert und papiert werden, diese Scharniere sind dann schnell hinüber und jeder Balg geht zuerst in seinen “Fersen” zugrunde.

Ja, da hören wir erste Begriffe, die manchem sonderbar erscheinen. Und auch ich habe vergebens nach Literatur gesucht, wo man denn nachschlagen könnte und etwas dazulesen kan, aber nichts gefunden. Daher hier erstmal eine Begriffs-Stütze in Form zweier Zeichnungen, welche die wichtigsten Elemente solch eines Balges erläutern.

Balg hochgefahren

drei Ansichten dieses Balges

Die ersten Arbeiten bei einer solchen Restaurierung sind das absolut klinisch reine Entfernen von Papier, Leder und Kleberesten. Dazu sind vorher einige wichtige Anmerkungen und Dokumentationen, Zeichnungen zu machen, damit man es später auch richtig zusammenbaut. Wir haben hier einige Fotos gemacht die u.a. auch zeigen, das z.B. die Zwickel, das sind die breiten Lederstreifen an den Ecken, noch zusätzlich an den Falten mit Lederstreifen befestigt wurden. An diesem Balg wurden grundsätzlich alle Lederstreifen, auch die Knarr-Riemen, wie auf der Zeichnung auch ersichtlich ist, zum Ende hin verdünnt (geschabt mit einem scharfen Messer, so dass die Kanten nach dem Papieren kaum fühlbar sind ). Das ist ebenfalls ein nicht ungehöriger Aufwand, der zur Ästhetik des Balges beiträgt, und der oft bei Restaurierungen vernächlässigt wird.

Das Entfernen des Papiers geschieht mit viel Wasser, einweichen lassen aufs Papier und abziehen. Dort, wo mit Kunstkleber später herumgeflickt wurde hat man sehr viel Arbeit, das Papier wegzubekommen. Leder wird mit dem Bügeleisen vorgewärmt und abgezogen. Nachdem die Holzfalten trocken sind, werden sie leicht abgeschliffen.

Am besten notiert man sich, wie das Leder und das Papier umgeschlagen wurde, mit welchen Übermaßen.

Der nächste und wesentlich einfachere Schritt ist die Montage der Falten miteinander und dann auf den Deckel-Rahmen mit den Darmsaiten. Das zeigen wir im nächsten WORKSHOP (2) Rest. von Einfalten-Magazin-Bälgen, Zusammenbau, Beledern, Neupapieren.

Bilder – das dritte Bild zeigt eine solche Darmsaite, wie sie als “Scharnier” eingesetzt ist.

gwm

weiter gehts hier:

Bukarest Einfaltenbaelge (4)

Auf Ergänzungen liegt heute unser Schwerpunkt. Es waren einige Rückfragen aufgetaucht, die wir hiermit beantworten wollen. DAS VERFLACHEN der LEDERSTREIFEN  wollte ein Interessent wissen, warum wir diese Sache angesprochen haben, aber nicht weiter darauf hingewiesen haben. Innerhalb des Balges und … Weiterlesen 

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Bukarest Einfaltenbaelge (3)

Zum weiteren Verständnis ist erforderlich die beiden vorhergegangenen Workshops anzusehen, die sich auf dieser Seite befinden. Oder einfach unter der Kategorie Bukarest Op.2654 rechts anclicken, geht am schnellsten. Hier in diesem abschliessenden Teil wollen wir folgende Teile zeigen: – die Materialien – … Weiterlesen 

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Bukarest Einfaltenbaelge (2)

  DAS PAPIEREN Bei unserem ersten WORKSHOP haben wir ganz allgemeine Dinge eingebracht und dabei einige “Röntgenfotos” für Orgelbauer gezeigt. Denn der kann mit technischen Zeichnungen in der Regel mehr anfangen als mit Fotos oder schönen Erklärungen. Eigentlich wollten wir … Weiterlesen 

 

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