aus Kherbet-Qanafar, Erfahrungen eines Orgelbauers

Nach einer Reise durch Schottland gings gleich weiter nach Kherbet Qanafar, um dort unsere kürzlich eingebaute Orgel einer Überprüfung zu vollziehen. Eine Woche vor Ostern war der Schulbetrieb der Schneller-Schule noch in vollem Gange.

Denn es war, wie es der Herr wollte, dass das Conacher-Instrument mit einer Stimmung von 449 Hz bei 16° C auf a‘ ausgestattet war. Für mich persönlich eigentlich immer Gebot der Stunde, die Ursprünglichkeit zu bewahren. Dieser Umstand jedoch beflügelte einen Organisten „seherisch“ solche „englische Stimmgewohnheit“ als Teufelszeug zu verunglimpfen, man kann ja nicht mit anderen Instrumenten zusammenspielen. Das bezweifeln andere Organisten allerdings erheblich.

Es gab heftige Diskussionen, ob man, wie anderorts geschehen, diese Stimmung nicht aufs heutige Niveau herunterdimmen könnte. Ich habe zwar deutlich davor gewarnt, dass mit Tieferstimmung dieser Orgel, erhebliche klangliche Mängel, insbesondere bei den tiefen Diapason-, den Streicherstimmen auch bei den tiefen Oktaven der Gedecktpfeifen zu erwarten sind.

Dennoch muss ich es mir als groben Fehler anrechnen, auf Veranlassung dieses Organisten, das Tieferstimmen auf a‘ 440Hz trotzdem vorgenommen zu haben. Man hätte nun, als beim Diapason 8 größere Ansprachemängel in der tiefen Oktave auftraten, dem Ratschluss folgen können und den Winddruck zu erhöhen, wie dies gelegentlich bei anderen Orgeln gemacht wurde. Dies aber hätte den kompletten Orgelklang dieses wundervollen Instrumentes restlos zerstört. Weswegen ich weitere Schritte abgelehnt habe.

Jedenfalls habe ich meinen Fehler eingesehen und die Orgel in der vergangenen Woche auf meine Kosten wieder aufs ursprüngliche Stimmniveau zurückgeführt. Eine Wohltat war es, beim Zurückführen des „Stopped Diapason“ zu hören, wie bei jeder einzelnen Pfeife der Klang wie bei einer aufgehenden Blume sein ursprüngliches Volumen gewann, zurück in seine Farbenprächtigkeit fand.

Glücklich war dann ein seliger George Haddad, Direktor der Schneller-Schule, der mit größer Zufriedenheit seinen Ostergottesdienst drei Tage vor Ostern die freudig singende Kinderschar an der Orgel begleiten konnte. Danach wurden die Kinder in die Schulferien entlassen. Und erlöst wurde auch ein Orgelbauer, der die vorige Stimmungsgeschichte gar als ein Verbrechen gegen alle gute englische Instrumentenbaugeschichte gesehen hat.

Egal, was die Handwerkszunft hier in Deutschland in solchen Dingen immer wieder aus dem Zauberhut zu ziehen vermag: es gibt einfach der Historie gegenüber ein Gebot des Respektes, den die wenigsten Musiker oder Handwerker begreifen. Es ist geradezu entsetzlich, was hier im deutschsprachigen Raum in Sachen Klangursprung bei allen möglichen Instrumenten für groteske Verunstaltungen vollführt werden.

Im Angesichte der Schaffensfreude und Gegenwartsbewusstheit werden eben oft stille, scheinbar unbedeutende und einfache Dinge zur Seite gekehrt, die wir dann nach zwanzig oder fünfzig Jahren schmerzlich vermissen – so oder ähnlich wie es Papst Franziskus bei seiner Osterrede auf den Punkt gebracht hat, wir schämen uns schon heute für das, was wir unseren nachkommenden Generationen hier auf Erden hinterlassen.

Die Wenigsten werden im Angesichte ihres Naturverbrauches und Kulturverschlingens diese Worte verstanden haben.

gwm

zu diesen und vorigen Reisen nach dem Libanon gibt es hier eine 40 teilige Bildershow

diese Karte zeigt auf Punkt 9 (Kherbet Qanafar) eingekesselt zwischen Beirut und Damaskus

 

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