ab wann gab es denn die ersten elektr. Gebläsemotoren?

Diese Frage wurde mir in den letzten zwei Wochen gleich dreimal gestellt. Ich denke, dass diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden kann.

Insbesondere glaube ich nicht, dass Deutschland eine Vorreiterrolle hier gespielt hat, sondern wir müssen wahrscheinlich nach England oder Frankreich blicken, wo Mitte/Ende des 19.JH das Ingenieurwesen sich intensiver damit auseinandersetzte.

Warum dies der Fall war, ist unter anderem an den auch heute noch bemerkbaren Mängeln der elektrischen Winderzeugung leicht zu klären: der durch Motor und Windrad erzeugte Wind ist eben einfach unruhiger, verwirbelter als der durch Menschenhand gepumpte.

Als nach der Fertigstellung der Ulmer Walcker-Orgel im Jahr 1854, der damals größten Orgel der Welt, verschiedene Mängel im Windsystem auftauchten, wurde die Realisierung einer Windmaschine beschlossen. Die 12 Kalkanten schafften es nicht, die für das Pedal notwendige 90mmWS zu erzeugen, weswegen im Laufe der nächsten Jahre eine Dampfmaschine angebaut wurde. Beim großen Umbau von 1882-1890 wurde nach Abschluss der Arbeiten ein 4PS starker Otto’scher Gasmotor eingebaut, der über sieben Schöpfbälge und einer raffinierten Excenterkonstruktion, die wiederum von einem extra Balg geregelt wurde, den erforderlichen Wind lieferte. Ich vermute, dass der Motor außerhalb der Kirche angebracht war und über Transmissionsriemen mit Wellen und Windrad in Verbindung stand.

Die erste rein elektrisch gesteuerte Pfeifenorgel wurde in Frankreich 1852 gebaut. Ich gehe davon aus, dass auch die Winderzeugung recht früh mit elektrischem Motor dort eingebaut wurde.

Engländer und Franzosen sorgten über ihre Weltausstellungen für die Verbreitung industrieller Entwicklungen. Wir kennen die Probleme, die Walcker bei Versuchen an der Bostoner Orgel 1863 hatten, als sie unglückliche Experimente mit elektrischer Traktur abbrechen mussten. Das geschah auch der Firma Weigle bei der Weltausstellung in Paris 1878, als dort ein rein elektrisch gesteuertes Instrument gezeigt wurde. Durch rasch abgebrannte Kontakte und leergelaufene Batterien hat man sich von der „Elektrik“ bald erholt.

Walcker baute in Wien Stephansdom 1886 noch einen Kalkantenruf ein, es sollten aber in den späten 1890er Jahren bereits elektrische Motoren dort gewirkt haben. In Wien Votivkirche ist urkundlich erwähnt, dass 1901 ein elektrischer Motor eingebaut wurde.

Ab 1905 waren alle größeren Städte in Deutschland am Netz. Die Gaslampen wurden nun langsam gegen elektrisches Licht ausgetauscht. Damit war nun gewährleistet, dass in großen Städten und deren großen Kirchen elektrische Motoren betrieben werden konnten. So war es bei den ersten rein elektrischen Orgeln in Deutschland (das muss man sehr vorsichtig so ausdrücken, weil ja immer noch erhebliche Pneumatik beschäftigt war) der von Voit gebauten Orgel 1905 in die Stadthalle Heidelberg, wo der elektrische Spieltisch aus England kam,  und von Walcker in der Münchner Odeonhalle, ganz klar, dass hier auch elektrische Motoren den Wind erzeugten.

Walcker bot ab diesem Zeitraum stolz seine „Kombinationsgebläse“ an, das waren Magazinbälge, die per pedes oder per Motor betrieben werden konnten. Denn es war nicht sicher, ob der Strom auch wirklich dauerhaft aus der Dose kam. Eine Erscheinung, die Amerika und Afrika auch heute noch bestens kennen.

Neben der Verwirbelung des Windes, die sich besonders bei Dispositionen mit vielen Stimmen kleiner als 4′ stark bemerkbar machen kann, hat der Motor noch andere Nachteile, wie seine unerbittliche Geräuschhaftigkeit oder seine Unberechenbarkeit.

Wir haben wiederholt große Unsicherheiten bei der Berechnung der erforderlichen Windmenge bei einschlägigen Herstellern von solchen Winderzeuger erleben müssen. so mussten wir dreimal Motoren in einer Kirche im Balkan erneuern, weil der Hersteller nicht in der Lage war eine Orgel mit 12 Register und Sub+Superkoppeln exakt berechnen zu können. Ein ähnliches Problem hatten wir bei einem Motoreinbau in Frankreich.

Wie edel ist es da Schrittmotoren zu sehen, die Kastenbälge uhrwerkmässig aufziehen, zu sehen und zu hören, welch reiner Wind sich da in die Orgel ergießt und welch ruhiger Atem durch die Orgel fließt.

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