Als wir vor genau 10 Jahren in Kairo während der Revolution mit der Wiederherstellung der Walcker-Orgel in der Deutschen Kirche beauftragt wurden, war ich zunächst einmal 6 Wochen mit der technischen Bearbeitung dieses Projektes beschäftigt.
Ein Jahr später wurde ich vom VOD (Orgelsachverständige Deutschlands) eingeladen, über die Elektropneumatik [2.015 KB] einen Vortrag zu halten.
Alle diese Umstände haben dazu geführt, dass ich mich umfangreich mit diesem Thema beschäftigen konnte. Auch in diesen Tagen wieder haben wir uns mit Elektropneumatik im ehemaligen Jugoslawien und mit einer Walcker-Orgel zu befassen, die Hängebalgladen aufweist.
Für mich persönlich war der starke Eindruck, den diese Hängebälglade von Kairo auf mich hinterlassen hat, Triebfeder, immer wieder dieses Windladensystem zu studieren. Stärker als bei Taschenladen war hier das mechanisch bedingte Anblasgeräusch bei Streichern und Zungen.
Der hier gezeigte Spieltischschnitt zeigt den elektrischen Spieltisch der Walcker-Orgel Opus 1855 für Rotterdam (jetzt in Doesburg) gebaut 1915, dessen Kabel in wunderschön gebauten Relais-Schränken führen. Die Tasten bewegen eine Mechanik, welche mit Excenterkontakten verbunden sind. Das sind runde Stäbe, die mit einem Metallstift Silberdrähte berühren und damit schalten.
Eine logische und einfache Konstruktion, die aber durch die Sub-Superkoppeln ausschweifende Kabelansammlungen verursachte.
Nicht zu unterschätzen ist der Induktionsfunke, denn zur Erbauungszeit gab es keine Elektronik, die diese kurze Hochspannung hätte reduzieren konnte. Man behalf sich teilweise mit bifilar gewickelten Spulen.
Ein wahrer Augenschmaus stellt die Schnittzeichnung dieser Orgel für mich dar, die ebenfalls diese umwerfend klare Logik zeigt, mit der die Orgel aufgebaut ist. Die dunklen, quadratischen Kästchen beherbergen die elektropneumatischen Tonsteuerungen, die per Kabel angesteuert und dann über Bleirohre die an die Windladen angebauten Relais dirigieren.
Sehr schön ist auch das krönende Fernwerk aufgestellt, dessen Schwellwerk in einen 20m langen Klangkanal führt, der für die Fernwirkung der Klangabstrahlung sorgt. Eine ähnliche Konstruktion war dies in Kairo.
Hängebalgladen sind aufwendiger zu gestalten als Taschenladen. Beide Systeme sind sogenannte Ausstromsysteme, das heißt, das Relais entlässt Wind aus dem Ventil, damit es die Windöffnung zur Pfeife freigeben kann. Als Orgelbauer hat man beim Hängebalgventil die Möglichkeit Regulierungen vorzunehmen. In Zeiten der Ökonomie der 1920-30 Jahre wurden nur noch Taschenladen gebaut.
Die größte Walcker-Orgel mit Hängebalgsystem war diejenige im Hamburger Michel 1912.
gwm Feb2021
Sehr spannend – vielen Dank!