Orgelbauer auf Abwegen von Asien nach Afrika

Noch nicht einmal ganze drei Tage Ruhepause aus einer Rückkehr aus San Salvador und schon warteten gepackte Koffer auf die Reise nach Libanon, Kairo und Alexandria.

Eine schwierig zu kalkulierende Reise, die aber sehr erfolgreich abgeschlossen werden konnte dank der Mithilfe der Leute in der Seemannsmission in Alexandria und der starken Unterstützung von Seiten der Pfarr-Eheleute in der Deutschen Evang. Gemeinde in Kairo.

Dieser Blog sollte eigentlich in Form einer Bildgeschichte geformt werden, ich hoffe, nicht allzu viele Wortbeiträge eingebracht zu haben und versuch mal eine etwas kalendarische Gliederung:

SAMSTAG 08.Dez. morgens um drei Uhr lieg ich endlich im Bett in Khirbet, Bekaa-Delta, nach einer anstrengenden Fahrt. Die Wartung der Orgel in der Schnellerschule steht an. Alles kein großes Problem, außer dass es unheimlich kalt im Tal ist. Einige Kleinigkeiten sind zu regulieren, ein paar Pfeifen nachzustimmen. Die Oboe komplett. Wasser ist durchs Dach in die Orgel temporär eingedrungen. Auch hier wird die Schulleitung Maßnahmen ergreifen. Am Ende der Arbeiten übergibt mir George Haddad Jahreshefte der Schneller-Schule in der die Orgel im Mittelpunkt steht und ausführlich gewürdigt wird. Prima gemacht das Büchlein:

MONTAG 10.Dez. morgens um 10 Uhr geht es weiter mit einem der besten Taxidriver den der Libanon aufzubieten hat nach Beirut, wo ich mittags 13 Uhr in der Deutschen Evang. Kirche die Wartung der Boschorgel zelebriere. Ein neuer Pfarrer ist da. In wenigen Sätzen ist alles geklärt.

DIENSTAG 11.Dez. morgens um 8:30 wird die Rieger-Orgel in der National Evangelic Church inspiziert. Als erstes reicht man dem Orgelbauer auf der Bank einen gründlichen Cafe arabischer Art. Erst denken, dann arbeiten.

Auch diese Orgel ist mustergültig in blendender Form. Einzelne Streicherpfeiflein müssen in Ansprache korrigiert, die Zungen gestimmt, der Motor geölt werden. Alle Funktionen wurden überprüft. Besprechung mit Pfarrer und Büroleiterin. Alles spricht perfekt Englisch.

MITTWOCH 12.Dez. Wieder morgens um 6Uhr gehts mit einem schon bekannten Driver zum Airport Hariri. Jetzt Abflug nach Kairo. Dort erwartet mich bereits der Hoteldriver. Um 16 Uhr holt mich der Pfarrer der Deutschen Evang. Kirche ab, um gemeinsam zur Kirche zu fahren und die Orgel, die wir vor 6 Jahren gerichtet haben anzusehen. Mich trifft fast der Schlag beim Einschalten des Motors, der extrem laute Geräusche von sich gibt. Mir scheint klar zu sein, dass das Lager der Welle oder die Welle zum Windrad selbst defekt ist. Nur einen Tag hab ich für diese Orgel eingeplant. Jetzt wird telefoniert und wir erhalten die Zusage, dass das Ding am morgigen Donnerstag gerichtet wird.

 

DONNERSTAG 13. Dez. Pünktlich um 16 Uhr wurden der neu gelagerte Motor wieder eingebaut. Das gab mir Gelegenheit die ganze Orgel bis spät abends klanglich und von der Stimmung etwas auszugleichen. Da am morgigen Freitag um 10 Uhr ein Gottesdienst eingeplant war, konnte ich so sicheren Mutes dem Pfarrer berichten, dass alles ok ist.

FREITAG 14.Dez. Um 10 Uhr Abfahrt am Hauptbahnhof Kairo nach Alexandria. Kostet erster Klasse gerade mal 5 Euro. Echt toll, schöne bequeme Sitze und viel Platz. Zwischendurch kommen Zeitungsverkäufer, Getränke werden verkauft und neben mir sitzen zwei Frauen, die offensichtlich Deutsche Sprache lernen und denen ich ein paar Tipps geben kann. Die Landschaft ist wüstengleich, aber mit Obstplantagen und langweiligen Backsteinhäusern bestückt, die zum größten Teil nicht oder nur teilweise bezogen sind. 13Uhr 30 holt mich der Leiter der Seemannsmission ab, wir gehen zum Seemannsheim, dort hat seine Frau ein Mahl bereitet.

Wir haben 15 Minuten Zeit, dann wartet der Bischof von Afrika in einer Kirche auf uns. Die mechanische, englische Orgel macht einen guten Eindruck auf mich. Ich werde ihn weiter beraten.

 

Im Dauerlauf nun zur Schweizer Kirche, wo eine Steinmeier-Orgel ihr Delirium abfeiert. Kaum Hoffnung dieses sicher klanglich großartige Instrument in einen wesentlich besseren Zustand zu verbringen.

      

Dann wartet eine Furtwängler & Hammer Orgel mit schönem Gehäuse und totaler Unspielbarkeit auf uns. Holzwurm und Termiten gaben ihr wohl den Rest. In dieser schönen Kirche findet leider nur noch einmal in der Woche eine Bibelstunde statt – damit wars das hier.

 

Wir kommen nun noch an die Balbiani-Orgel aus Milano, die zwar ein paar unartikulierte Töne im ersten Manual von sich gibt, und was einigen Anhängern die Hoffnung zur leichten Wiederherstellung gab, aber das Instrument ist extrem billig gebaut und somit nur unter extremen Kosten wieder lebensfähig. Da gab es manche Träne, als ich kein weiteres Interesse zeigte, hier noch gründlich in die Diskussion einzusteigen.

 

SAMSTAG 15.Dez. Der Dauerlauf durch Alexandria hält an. Wir besuchen viele Sehenswürdigkeiten. Da werden einige Kilometer abgewatscht bis wir endlich in ein größeres Schulgebäude geführt werden, wo die 33 Register große Walcker-Orgel vorgefunden wird. Ein Instrument von Anlage und Spieltisch fast identisch der Orgel in Cartago. Hier zeige ich dem Direktor mehrere Bilder aus der damaligen Restaurierung. Vor allem habe ich darauf hingewiesen, dass durch die jetzige Arbeit eines Helfers erhebliche Schwierigkeiten beim Pfeifenwerk entstanden und weiter zu erwarten sind. Vielleicht hilfts. Wir werden ausführlich mit einem Kostenanschlag auf diese Verstümmelungen hinweisen. Leider ist auch hier Insektenbefall festgestellt worden, was zu gewissen Unwägsamkeiten bei der Kalkulation führen wird. Aber man konnte etwa 6-8 Register im I.Manual ziehen und teilweise spielen. So dass wir hier eigentlich die einzig spielbare Orgel in der Stadt haben.

 

In der Katharinenkirche befindet sich eine Kaufmann-Orgel, die so verdreckt war, dass ich dem Pfarrer sagen musste, bevor ihr hier nicht das Gröbste weggeputzt habt, hat es keinen Sinn, dass wir an eine gründliche Ausarbeitung einer Arbeit denken können. Das hat ihn etwas bedrückt und wir haben anschließen auch ein paar Gespräche drüber geführt. Aber das sind eigentlich keine Aufträge nach denen man sich die Finger leckt.

 

SONNTAG 16.Dez. Nach einem schönen runden Frühstück wurde ich per Auto auf der besten Autobahn Afrikas nach Kairo transportiert. Unterwegs zum Pinkeln in einer Moschee ausgestiegen, dann kam uns auf der 8ten Spur ein Maultierfuhrwerk entgegen. „Ganz normal“ sagte der Fahrer. Auch wenig später als ein Motorradfahrer mit seinem selbstgebastelten Gefährt 3 oder 4 Leute darin transportierend ebenfalls gegen die Fahrtrichtung auf der 8spurigen  fuhr, gab mir das sehr zu denken. Alle 4-5km stand eine Moschee da zum Rasten. Die waren hübsch, aber der grässliche Gestank aus den Toiletten, der ging mir bis heute nicht mehr aus der Nase.

Um 13Uhr war ich wieder an der Walcker-Orgel in Kairo und konnte mich versichern, dass das Instrument ohne jegliche Probleme arbeitet. Die Vox humana im Fernwerk wurde zum letzten Mal gestimmt bevor das Werkzeug zusammen gepackt wurde. Rund 8 km bin ich an dem Tag durch Kairo gelaufen, war echt spannend. Und kein Mensch sollte jemals sagen, dass man sich in Kairo  bedroht fühlen sollte. Es ist und bleibt die größte Stadt mit der geringsten Kriminalitätsstatistik – immer noch, und das spürt man.

MONTAG 17.Dez. um 6Uhr ging die Rückreise los, mit einem altbekannten Taxiface. Gegen 19Uhr war ich dann endlich wieder in Bliesransbach. Endlich mal wieder Nachrichten im ZDF oder ARD sehen, welch ein Traum.

Ein Wahnsinnstrip. Gute Leute kennen gelernt, gute Instrumente gesehen, die wieder mal einen Stupser brauchen – und Afrika, Asien, da hat man einfach einen uralten Geschmack auf der Zunge nach Antike, nach urtümlicher Kultur ……, ja wisst ihr überhaupt, dass die Orgel des ehrwürdigen Technikers Ktesibios im 3. JH vor Chr. in Alexandria erfunden wurde? …. jetzt gehen die Lichter auf, wie dieser Kontinent einst die Quellen Europas gespeist hat.

gwm

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